Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die richtige Pflege kann bedrohten Arten helfen
Aktionen In Augsburg werden Bombenkrater in Froschtümpel verwandelt – und nicht nur das
Herr Liebig, wie entwickelt sich die Natur in Augsburg? Liebig: Das ist immer eine Frage der Betrachtungsweise. Wenn ich die heutige Artenausstattung in Augsburg mit der vor 150 Jahren vergleiche, dann ist ein ungeheuer dramatischer Artenrückgang festzustellen, und zwar flächendeckend. Ich finde aber, in den letzten Jahren wurde vom ehrenamtlichen und behördlichen Naturschutz einiges erreicht. Das führt dazu, dass der Rückgang an Arten und Lebensräumen zumindest langsamer verläuft.
Wie ist die Lage in Schutzgebieten? Liebig: Dort ist die Situation deutlich besser als in der Agrarflur oder im bebauten Bereich. Das liegt daran, dass die Schutzgebiete ohnehin artenreicher sind und dort staatliche und städtische Gelder zur Verfügung stehen, mit denen wir der Natur gezielt helfen können.
Gibt es Arten, die durch diese Pflege wieder zunehmen?
Liebig: Bekanntestes Beispiel ist die Galionsfigur des Augsburger Naturschutzes: die Sumpfgladiole. Sie hat sich in den vergangenen Jahren nicht nur auf der Königsbrunner Heide, sondern im gesamten Stadtwald ausgebreitet. Unsere Wildpferde tragen dazu bei, dass sich das Kleine Knabenkraut, eine Orchidee, oder der als verschollen eingestufte Verkannte Grashüpfer auf der Hasenheide wieder vermehrt haben. Faszinierend ist auch die positive Entwicklung des Kreuzenzians. Wie ist der Trend auf Agrarflächen? Liebig: Auch in der Augsburger Agrarflur tut sich was. Erfreulich ist es, dass immer mehr Landwirte bei konkreten Naturschutzprojekten mitmachen. Sie legen Blühstreifen an, um dem Rebhuhn zu helfen, das vom Aussterben bedroht ist. Sie beweiden wertvolle Flächen mit Rindern, Schafen, Ziegen, Pferden oder Eseln. Es gibt inzwischen auch eine naturschonende Bewirtschaftung von Gewässerrandstreifen.
Das sind viele Verbesserungen, aber wo bleibt der große Wurf?
Liebig: Es kommen große Projekte auf Augsburg zu, von denen positive Impulse für den Schutz von Arten und Biotopen ausgehen werden. Allen voran zu nennen ist der naturnahe Ausbau des Lechs durch den Freistaat, also das Projekt „Licca Liber“. Aber auch die Renaturierung der Stadtwaldbäche, die ökologische Neuordnung der Flure im Augsburger Norden oder der Biotopverbund entlang der Trinkwasserleitungen im Stadtwald sind Leuchtturmprojekte, mit denen sich Augsburg ruhig etwas mehr schmücken dürfte.
Was sind die Herausforderungen? Liebig: Die Situation ist vergleichbar mit der eines Multimillionärs, dem ein Großteil seines Reichtums durch Selbstverschulden abhandengekommen ist. Aber er ist noch Millionär. Jetzt gilt es, den verbliebenen Reichtum der Natur durch vorausschauendes Handeln für die nächsten Generationen wieder zu mehren. Zu den Gefahren zähle ich die unabsehbaren Folgen des Klimawandels, die zunehmende Versiegelung unserer Landschaft, die leider nach wie vor zunehmende Intensivierung in der Land- und Forstwirtschaft, aber auch Gleichgültigkeit gegenüber der Natur.
Welche Chancen bringt das Schutzgebiet auf der Alten Flugplatzheide in Haunstetten, wenn es kommt?
Liebig: Es gibt wohl keine Stadt, die im bebauten Bereich eine so artenreiche Biotopfläche aufweisen kann, wie Augsburg mit seiner Flugplatzheide. Ein Schutz würde dazu beitragen, diese Fläche nachhaltig zu sichern. Der Freistaat, der ja Flächeneigentümer ist, könnte seiner Vorbildfunktion gerecht werden. Schutz alleine wird aber nicht ausreichen. Die Fläche muss auch gepflegt werden. Dazu braucht es Fördermittel. Und die Bevölkerung muss sensibilisiert werden. Wenn wir Naturschützer wegen des Artenreichtums auf der Heide vor Freude in Luft springen, muss das nicht bedeuten, dass es auch bei allen Besuchern dieser Fläche zu diesen Gefühlswallungen kommt. Wir brauchen ein gutes Konzept, um Besucher zu informieren und zu lenken.
Interview: Eva Knab
Nicolas Liebig ist Diplom Landschaftspfleger und Geschäftsführer des Land schaftspflegeverbandes der Stadt Augsburg.