Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Den Abschied verarbeiten
Interview Männer tun sich mit dem Verlust eines geliebten Menschen oft sehr schwer. Wie ihnen geholfen werden kann
Herr Achenbach, Sie haben gerade eine Männer-Trauergruppe eröffnet. Was sind das für Männer, die zu Ihnen kommen?
Thomas Achenbach: Gedacht ist die Gruppe in erster Linie für Männer, die ihre Partnerin verloren haben. Aber wir haben aktuell auch einen Vater, der um ein „Sternenkind“(Sternenkinder: Kinder, die mit einem Gewicht von weniger als 500 Gramm vor, während oder nach der Geburt sterben) trauert. Wir treffen uns einmal im Monat hier im Osnabrücker Land.
Sind das alles frische Trauerfälle? Achenbach: Das ist ganz unterschiedlich. Natürlich kommen Männer zu uns, die gerade einen lieben Menschen verloren haben. Die Erfahrung aber zeigt, dass das Bedürfnis nach Trauerbegleitung nach einem gewissen zeitlichen Abstand zunimmt. Kurz nach dem Sterbefall erhält der Trauernde noch viel Mitgefühl aus seinem Umfeld. Nach etwa einem dreiviertel Jahr aber lässt das nach. Dann stellt sich im Umfeld eher das Gefühl ein, dass der Betroffene aus seiner Trauer herauskommen sollte. Das ist für Trauernde eine schwierige Phase.
Warum kümmern Sie sich insbesondere um Männer? Trauern die anders als Frauen?
Achenbach: Männer trauern nach innen, Frauen nach außen. Während Frauen sich mitteilen, schweigen Männer. Das klingt nach Klischee, ist aber in der Realität so. Leider gibt es bislang dazu so gut wie keine wissenschaftliche Begleitforschung. Männer versuchen, den Verlust mit sich selbst auszumachen. Die Trauer bleibt dann aber nicht selten unverarbeitet. Oft haben gerade Männer auch falsche Vorstellungen von Trauergruppen – manche befürchten, da gehe es auch um meditatives Tanzen oder so was. Dem ist aber nicht so.
Ist das männliche Trauerverhalten genetisch begründet?
Achenbach: Manche Experten meinen, das evolutionstheoretisch begründen zu können. Dass die Männer früher als Jäger und Sammler einzeln unterwegs waren und die Frauen das Lagerfeuer gemeinsam hüteten. Ich halte das Verhalten von Männern aber für anerzogen. Das Annehmen eines Ohnmachtsgefühls ist für einen Mann ein No-Go.
Wie helfen Sie konkret diesen Männern in der Trauerbewältigung? Achenbach: Auch wir reden. Dadurch, dass nur Männer in der Gruppe sind, sinkt für sie die Hemmschwelle, sich zu äußern. Wir als Trauerbegleiter moderieren vor allem und machen deutlich, dass es kein Mehr oder Weniger an Trauerbedürfnis gibt. Es macht für die Betroffenen keinen Unterschied, ob der eine nach 50 Jahren Ehe seine Partnerin verloren hat oder der andere sein gerade geborenes Kind. Dann wird geredet. Das können manchmal dann auch ganz banale Dinge sein, wie: Wie komme ich allein mit dem Bügeln klar?
Was tun Sie, wenn das Reden nicht gelingen will?
Achenbach: Zu jeder Sitzung gehört auch das Vorlesen eines Impulstextes. Von Rainer Maria Rilke etwa gibt es gerade für Trauernde Mut machende Texte. Oder ich berichte aus der Forschung.
Woran merken Sie und der Betroffene, dass die Trauer verarbeitet ist? Achenbach: Etwa daran, dass die Fragen der Betreffenden alltäglicheren Charakter bekommen. Wenn sich allerdings bei einem Teilnehmer die Gedanken an einen eigenen Suizid, die in moderaten Maßen zu einem Trauerprozess oft dazugehören können, zu sehr verfestigen, dann müssen wir eine andere (etwa ärztliche) Betreuung einleiten.
Johannes Schönwälder, kna
Thomas Achenbach, 42, ist Trauerbegleiter und Mit Initiator einer Trauer gruppe speziell für Män ner.