Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Eine gute Therapie gegen Engstirnigkeit
Ich bin kein Fan des amerikanischen Hedgefonds-Managers Ray Dalio. Die Unternehmenskultur, die er als Chef propagiert, ist ziemlich speziell: Alle Meetings werden gefilmt und jeder im Unternehmen kann sich dann die Videos anschauen. Alle Mitarbeiter bewerten sich außerdem permanent gegenseitig nach einem Punktesystem. Nichts gegen Transparenz und Feedback, aber so wie es hier praktiziert wird, hat es fast schon etwas Obsessives.
Aber dennoch wäre es zu kurz gesprungen, Dalio unter der Rubrik „nicht weiter interessant“abzuschreiben. Immerhin ist er Gründer von Bridgewater Associates, dem weltweit größten Hedgefonds. Dalio hat sich kürzlich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen und ein Buch über sein Leben und seine Erfolgsprinzipien geschrieben. Der Titel lautet schlicht „Principles“. Das Buch ist wirklich interessant. Dalio ist mehrmals gescheitert, hat sich immer wieder aufgerafft und er ist sehr offen, wenn er die Prinzipien beschreibt, die seiner Meinung nach großen Einfluss auf den Erfolg eines Menschen haben. Er ist nicht nur offen, sondern extrem aufgeschlossen. Und dabei bescheiden. Und genau darin habe ich auch viel von meiner Lebensphilosophie wiedergefunden.
Warum diese Eigenschaft so wichtig ist? Weil sie gute Entscheidungen ermöglicht. Gute Entscheidungen sind nicht notwendigerweise diejenigen, die dem eigenen Ego schmeicheln. Sondern solche, die am besten für einen selbst und für das eigene Unternehmen sind. Und um eine gute Entscheidung zu treffen, sollte man die Fähigkeit trainieren, verschiedene Blickwinkel und Möglichkeiten zu sondieren, auch wenn das vielleicht dem Ego schmerzt.
Dalio stellt in seinem Buch eine einfache Frage, die eine Therapieform gegen Engstirnigkeit ist. Vielleicht ist das sein wichtigster Tipp: Wenn zwei Menschen sich widersprechen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass einer von beiden falsch liegt. Was, wenn Sie es sind?
Anja Förster ist Unterneh merin, Vortragsrednerin und Autorin. Ihr neues Buch heißt „Zündfunken für Andersdenker“.