Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Weglassen ist nicht alles
Thema der Woche Zwei Königsbrunner Pfarrer erklären, dass es in der Fastenzeit auch darum geht, Dinge intensiver zu tun. Wie etwas Neues das Leben bereichern kann
Landkreis Augsburg Die Fastenzeit ist für viele Menschen eine Zeit des Verzichts. Das entspricht grundsätzlich der christlichen Tradition. Bei genauerer Betrachtung steckt aber deutlich mehr dahinter als 40 Tage lang kein Fleisch, kein Bier oder keine Süßigkeiten. Die beiden Königsbrunner Pfarrer Bernd Leumann von der katholischen Pfarreiengemeinschaft und Ernst Sperber von der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde erklären, dass Fasten auch beinhaltet, dass etwas Neues an die Stelle der geänderten Gewohnheiten treten soll.
„Fasten bedeutet in allen großen Religionen zu sich kommen, Dinge weglassen, die schädlich und ablenkend sind und das Wesentliche in den Blick zu nehmen“, sagt Bernd Leumann. Wer zum Beispiel aufs Fernsehen verzichte, dem sei in den ersten Tagen möglicherweise langweilig, doch dann treten andere Dinge an die Stelle der Glotze. Leumann selbst verzichtet in der Fastenzeit auf Alkohol: „Messwein ist natürlich ausgenommen, aber das ist ja ohnehin nur eine geringe Menge.“Vor allem aber hat er sich vorgenommen, einige Dinge intensiver anzugehen als vor der Fastenzeit: die täglichen Gebetszeiten zum Beispiel oder das Studium von weniger geläufigen Bibelbüchern.
Das sieht auch Ernst Sperber so: Ziel sei eine Unterbrechung des Alltags. „In der Fastenzeit sollen wir bewusster aufs Leben schauen. Was veranstalte ich, was sind äußere Faktoren? Lebe ich Fehlhaltungen?“, sagt Sperber. Durch das Bewusstsein kann man Fehlstellungen loslassen und neue Freiheit gewinnen. Sperber überlegt sich jedes Jahr einen neuen Verzicht. Diesmal lässt er während der 40 Tage die Zigarillos und Zigarren weg.
Die Zahl 40 hat im christlichen Glauben hohe Symbolkraft. 40 Jahre war das Volk Israel mit Mose ins gelobte Land unterwegs, 40 Tage harrte Mose auf dem Berg Sinai aus. Die Sintflut dauerte 40 Tage, ebenso wie Jesus 40 Tage in der Wüste ausharrte. „So beginnt das Werk Jesu, mit einer Zeit der Reifung, der Gottesbegegnung, aber auch der Versuchung“, sagt Bernd Leumann: „Aber es ist auch eine Zeit der Entscheidung. Das Ziel ist ein entschiedeneres Leben mit Gott.“
Die Fastenzeit beginnt mit dem Aschermittwoch mit einem Fasttag, an dem Katholiken nur eine große Mahlzeit zu sich nehmen sollen. Im Gottesdienst bekommen die Gläubigen ein Aschekreuz auf die Stirn gezeichnet mit den Worten: „Kehr um und glaub an das Evangelium.“„Ein gutes Zeichen“, findet Pfarrer Sperber. Eine gewisse Umkehr tue immer gut, in einer Welt, in der 1000 Anforderungen auf einen einströmen, aber niemand kommt, der sagt: „Gib mal Ruhe.“
So eigne sich die Fastenzeit auch, um eine gewisse Gelassenheit in der Begegnung mit dem Leben zu üben, sagt Sperber. Bewegungen, die nach einer Vereinfachung des Lebens streben, gebe es auch außerhalb der Kirchen: „Das ist spannend, weil viele Menschen gar nicht kirchlich sozialisiert sind und trotzdem einen spirituellen Weg gehen.“
Daher freuen sich die Pfarrer auch, wenn Menschen fasten, auch wenn dies nicht im engeren christlichen Sinne passiert. Den Trend zum Internet- oder Plastikfasten findet Bernd Leumann zum Beispiel gut: „Darauf muss man sich vorbereiten und viele Gewohnheiten im Alltag ändern, um es zu schaffen.“Die Bewahrung der Schöpfung und das Ziel, natürlicher zu leben, bringe die Menschen Gott näher. Gleiches gilt fürs gesundheitsbetonte Fasten – auch das habe mit der Suche nach der inneren Mitte zu tun, dem Versuch, zu sich selbst zu finden.
Den wesentlich sei, dass der Fastenweg sei immer auch ein Übungsweg, sagt Ernst Sperber: „Für mich sind die Christen eine Suchgemeinschaft, kein Antwortapparat.“Die Grundbotschaft sei dabei immer: Du bist verbunden mit Gott. Dieses Grundgefühl ploppe in besonderen Momenten auf, werde dann aber wieder vergessen – wie einer Erinnerung bei einer Handy-App. Die Fastenzeit sei eine Zäsur, eine Chance, die Gottesbeziehung zu aktualisieren.