Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wildes für die Salatschüssel
Unser Essen In der Gärtnerei Koch-Hagenbusch ist Wildkräutersalat vor allem in den Wintermonaten der Renner. Die abenteuerlich klingenden Sorten sind auch ein Zeichen des Umbruchs / Serie, Teil 37
Landkreis Augsburg Pak Choi ist noch der bekannteste Name, der unter den vielen „wilden“Samennamen des Wildkräutersalats zu finden ist. Mustard Red Giant, Mizuha Nagoya, Red Russian Kale, Tatsoi Shing Sun und Wasabino sind die anderen wilden Kräuter, die – gemeinsam angesät – zu Wildkräutersalat werden. Insgesamt acht verschiedene Sorten mischen die Brüder Ulrich und Michael Hagenbusch zusammen, um den mittlerweile sehr begehrten Wildkräutersalat ihren Kunden anbieten zu können. Gemischt wird mit Blick auf Farbe, Form und Wachstumsphasen. Bis sich ihre Kunden mit diesem wilden Mix angefreundet haben, habe es einige Zeit gedauert, erklären Ulrich und Michael Hagenbusch rückblickend. Jetzt werden immer weitere Varianten angefragt.
Hirschhornwegerich ist die neueste Einzelsaat, die sie – wenn Kunden nach Wildkräutersalat fragen – gerne zusätzlich mit anbieten. Auch Landkresse, die geschmacklich ein wenig an Kresse erinnert, allerdings durch eine leichte Schärfe vor allem zum Würzen des Salats dient, passt gut zu den anderen wilden Kräutern. Feldsalat, Portulak und Babyleaf sind weitere Salatarten, die besonders gut zur Mischung passen.
Nur wenige Wochen braucht der Salat, um verkaufsreif zu werden. Mit einem vergleichsweise unscheinbaren Gerät funktioniert das Einsäen von 52 einzelnen Pflänzchen mit nur einem Knopfdruck. Dazu wird das Gerät auf eine Platte aufgesetzt, die 52 mit Erde befüllte Becher beinhaltet. Oben wird der Samen hineingekippt, über 52 Einzelleitungen kommt dieser dann direkt in den Becher – und somit in den Nährboden für die nun folgenden sechs Wochen. Dieser Arbeitsschritt ist der einzige maschinelle Vorgang im Produktionsprozess.
Eine Woche braucht der Samen bei warmen 20 Grad Celsius. In der zweiten Woche wird die Schale, in der der Samen sitzt, fast direkt unters Dach des Gewächshauses gestellt: Bei 22 Grad Celsius verbringt hier die zweite Woche. Dann wird’s für den Wildkräutersalat deutlich kälter. Nur 12 bis 14 Grad hat es an seinem neuen Standort, an dem er zwei Wochen bleibt. Anschließend wandern die Pflänzchen nach draußen und verbringen die Wochen vier bis sechs bei gerade einmal null bis vier Grad – in Platten, auf Tischen. Ein ausgeklügeltes Klimakonzept versorgt nicht nur den Wildkräutersalat mit der passenden Temperatur, sondern auch die anderen Gemüse- und Salatsorten passgenau mit dem, was sie brauchen.
Steht der Verkauf von Wildkräutersalat an, wird er am Abend von der Platte geschnitten, um am nächsten Morgen im Verkaufsstand auf dem Markt, im Laden der Gärtnerei oder in den Koch-Boxen im Online-Shop angeboten zu werden. Eine Handvoll Wildkräutersalat macht etwa 50 bis 70 Gramm. Nur zwei Kilogramm gibt es pro Verkaufsstand. Meist dauert es nicht lange, und der Wildkräutersalat ist vergriffen. Ulrich Hagenbusch weiß warum: „Wildkräutersalat gibt es nicht an jedem Stand.“Und genau dieser Weg, der Weg in die gärtnerier sche Nische, hin zu lukrativen Premiumprodukten, kommt nicht von ungefähr. Dieser ist historisch bedingt – was heute natürlich keiner merkt, der die Produkte der Gärtnerei Koch-Hagenbusch kauft.
Das Gemüse der Gärtnerei tourt regelmäßig durch den Landkreis. Mittwochs gibt es die Produkte auf den Märkten in Klosterlechfeld und Graben, donnerstags vor der Citygalerie Augsburg, freitags in Bobingen, Scheuring und Schwabmünchen und samstags in Königsbrunn und Untermeitingen. Auch im Hofladen Frisch (Königsbrunn), bei Edeka Gropper (Augsburg) und in Höfles Hofladen (Augsburg) ist das biologisch erzeugte Gemüse, das im Augsburger Stadtteil Inningen angebaut wird, längst eine feste Größe.
Gedacht hat das noch vor einigen Jahren niemand, denn vor gut zehn Jahren stand es mit dem Gemüseanbau in der Gärtnerei Koch-Hagenbusch Spitz auf Knopf. Der Grund: Ulrich Hagenbusch wagte nach der Meisterausbildung zum Gärtner und Floristen einen Blick in die betriebswirtschaftlichen Zahlen und kam zu dem Schluss: Der Gemüseanbau ist unrentabel und kann in der bisherigen Weise nicht fortgeführt werden. Darauf wollte sich sein Vater, ebenfalls ein gelernter Gärtner, allerdings nicht einlassen. Und so entschieden sie sich gemeinsam, auf lukrative Premiumprodukte zu setzen, die nicht überall erhältlich sein sollten. Diese 180-Grad-Wendung ging auf.
Auf sieben Hektar pflanzt Ulrich Hagenbusch, der vor sechs Jahren Unterstützung von Bruder Michael bekam, Gemüse an – ohne dabei Pflanzenschutzmittel einzusetzen. Produktion und Ausbildung ist das Metier des 34-jährigen Ulrich Hagenbusch. Der 32-jährige Bruder Michael kümmert sich ums Marketing, den Online-Shop, den Lieferservice, der bis nach Mering, Friedberg, Gersthofen und Untermeitingen reicht, und um die Präsenz des Verkaufsstands auf den Wochenmärkten. Die Mutter der beiden, die das „Koch“des Firmennamens mit eingebracht hat, arbeitet ebenfalls in der Gärtnerei, die 1959 von ihrem Vater gegründet wurde. Noch heute ist sie die gute Seele des Ladens, die jeden Arbeitsschritt genau kennt und überall mit anpackt.
Der Wildkräutersalat ist ein Produkt, das perfekt in die neu aufgelegte Nischenkultur passt. Die Saison dafür beginnt um Allerheiligen und endet im Sommer. Ab Mai gibt es Freiland-Salate. Die Brüder wissen: „Regionale Produkte sind gerade der Renner.“Auch wenn ihre Gärtnerei fast etwas zu abseits liegt, um Laufkundschaft anzuziehen, begrüßen sie ihre Kunden gern vor Ort. „Jeder kann sich hier ein Bild unserer Arbeit und unserer Produkte machen“, erklärt Michael Hagenbusch. Und die Produkte sind durchaus ungewöhnlich: Wasserund Honigmelonen soll es im Sommer geben. Im vergangenen Jahr wurden Süßkartoffeln angebaut. Feuerrote „Blutkarotten“sollen heuer testweise aufgezogen werden. Auch Mairüben, Artischocken und Vulkanspargel wird es aus dem eigenen Anbau geben. Klassiker wie Paprika und zwölf Tonnen Tomaten ergänzen das Portfolio. Dabei haben die Brüder eine bestimmte Intention: „Wir möchte neue Produkte anbieten. Anders und früher als die Konkurrenz zu sein ist dabei unser Ziel.“