Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Sollen alle Schüler KZs besuchen?
Bayern-SPD will Gesetz ändern
München Die SPD möchte mit einer Änderung des Schulgesetzes dafür sorgen, dass künftig deutlich mehr bayerische Schüler eine KZ-Gedenkstätte oder ein NS-Dokumentationszentrum besuchen. Derzeit kämen nur rund 40 Prozent der Schüler in ihrer Schullaufbahn zumindest einmal an einen solchen Erinnerungsort, sagte der SPD-Bildungsexperte Martin Güll im Landtag – darunter vor allem Gymnasiasten, aber kaum Mittelschüler. Dies sei eindeutig zu wenig.
Vor rund drei Jahren hatte sich der Landtag gegen einen Pflichtbesuch bayerischer Schüler an einem Erinnerungsort ausgesprochen. Allerdings wurde allen Schulen empfohlen, eine solche Klassenfahrt durchzuführen. „Die Empfehlung zum Besuch der Erinnerungsorte steht, doch an der Umsetzung hapert es“, kritisierte Güll nun im Landtag. Denn der Beschluss von 2015 sei „weder in personeller, konzeptioneller noch in finanzieller Hinsicht“je präzisiert worden. Deshalb müsse die Staatsregierung nun per Gesetz verpflichtet werden, allen Schülern einen kostenfreien Besuch eines Erinnerungsortes zu ermöglichen. Zumal der Landtag erst 2017 auch mit Unterstützung der CSU-Abgeordneten von der Staatsregierung ein Gesamtkonzept für die Erinnerungsarbeit in Bayern eingefordert hatte. Auf eine Antwort warte man aber bis heute vergeblich, kritisiert der Landtagsabgeordnete Sepp Dürr (Grüne). Dass das Thema im Schulministerium offenbar nicht höchste Priorität hat, mag man auch daran erkennen, dass
Kultusminister schwänzt die Debatte
Kultusminister Bernd Sibler (CSU) die Landtagsdebatte zu dem Thema am Mittwoch schwänzte – obwohl er zu der Zeit im Maximilianeum war.
Die CSU-Bildungspolitikerin Ute Eiling-Hütig unterstützte zwar im Grundsatz die SPD-Forderung, mehr Schülern einen Gedenkstättenbesuch zu ermöglichen. Sie sieht dafür aber keinen neuen Regelungsbedarf: Der Freistaat schaffe bereits alle notwendigen Voraussetzungen, etwa durch Ausbauarbeiten in der Gedenkstätte Flossenbürg sowie in den NS-Doku-Zentren in Berchtesgaden und Nürnberg.
Die SPD glaubt dagegen, dass dafür nicht nur Baumaßnahmen notwendig sind: So sei es etwa ohne Zeitzeugen schwieriger, „einen emotionalen Bezug für die Besuchergruppen herzustellen“. Auch der persönliche Hintergrund der Schüler sei oft sehr unterschiedlich. Dies führe zu völlig anderen pädagogischen Konzepten und Vermittlungsformen, um die Schüler überhaupt zu erreichen. Diese zu entwickeln, sei mit der derzeitigen Struktur verschiedener Träger, Stiftungen und Bildungseinrichtungen aber nicht möglich, glaubt die SPD-Abgeordnete Isabell Zacharias.
Auch Karl Freller, der Direktor der Stiftung Gedenkstätten, sieht Anpassungsbedarf an die neuen Besucher. Sowohl die Gedenkstätten selbst als auch die Stiftung arbeiteten jedoch schon heute sehr professionell. Und dass die Erinnerungsarbeit in Bayern auf vielen Schultern ruhe, habe einen guten Grund, findet Freller: „Diese Struktur ist viel stabiler, als es nur eine zentrale Gedenk-Behörde wäre.“