Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der Tod der Kneipe
Jahrelang bin ich mit dem Fahrrad daran vorbeigefahren: am „Parapluie“, der Kneipe an der Hauptstraße am Ortseingang von Neusäß. Und ich habe mich immer gefreut, dass es das „Parapluie“, zu Deutsch „Regenschirm“, noch gibt. Das „Parapluie“war ein Flachbau, neben dem sich ein kleiner Biergarten befand. Das Publikum dort war zu 90 Prozent Ü60 und fast ausschließlich männlich. Ich dachte beim Vorbeiradeln immer: Gott sei Dank gibt es für diese Männer noch eine Kneipe, in der sie ihr Bier trinken konnten, vielleicht eine Brotzeit zu sich nehmen und mit Gleichaltrigen über Gott und die Welt reden können.
Denn froh über das Bestehen dieser Kneipe waren auch deren Ehefrauen, dass ihr werter Gatte zu Hause für ein paar Stunden nicht „im Weg herumstand“. Mir fällt jetzt eine Bekannte aus Neusäß ein, die mir unlängst erzählte, dass ihr Vater, seitdem er in Rente ist, nurmehr von zehn bis 22 Uhr vor dem Fernseher sitzt. Dahinvegetiert, möchte man sagen. Wir Weltgewandten kennen doch das Bild aus dem Süden (Italien, Griechenland, Spanien), wo die Alten auf dem Marktplatz auf einer Bank sitzen und über Gott und die Welt reden.
Mein Vater – ein Italiener – hat es immer bedauert, dass es in Steppach keine Dorfmitte gibt, wo er mit Leuten zusammensitzen kann. Was wir im Süden positiv finden, sollten wir auch zu Hause gutheißen. Aufgrund fehlender Sonne haben wir die Dorfmitte in die Kneipe verlagert. Jetzt scheint es diesen Orten an den Kragen zu gehen. Das „Parapluie“wurde abgerissen.
Die Kneipe – so wie das „Parapluie“eine war – ist keine Gastwirtschaft, sondern in erster Linie ein Ort der Kommunikation. Klar, die Alten reden vorzugsweise vom „alten Käs“und oft entgleisen ihnen ihre politischen Äußerungen. Aber der Mensch ist nicht fürs Alleinsein gemacht. Die Frauen haben dafür ihr „Kaffeekränzchen“. Der Mensch muss sich mitteilen, er muss sich durch Kundgebung seiner Meinung als lebendig und wichtig empfinden. Und das funktioniert nicht vor dem Fernseher.
Ich gebe zu (obschon es vom Alter her gepasst hätte), ich selbst war nie im „Parapluie“. Obwohl ich als Heimat- und Stadtethnologe sicher die eine oder andere Anregung aus so einer Männerrunde verarbeiten hätte können.
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An dieser Stelle blickt der Kabarettist Silvano Tuiach für uns auf das Geschehen in Augsburg und der Welt.