Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wachsen lassen
Ausstellung Die wunderbare grüne Welt des Landschaftsplaners Gottfried Hansjakob im Architekturmuseum
Das muss schon ein toller Beruf sein: aus der Erde etwa Neues zu schaffen, ganze Landschaften zu modellieren, grüne Paradiese wachsen zu lassen. Dem Schöpfergeist dürfte solche Tätigkeit ziemlich nahe sein. Die Schöpfungen des großen Münchner Landschaftsarchitekten Gottfried Hansjakob würdigt jetzt zu seinem 80. Geburtstag das Architekturmuseum Schwaben in einer großen Retrospektive.
Groß, das ist in dem kleinen Museum natürlich relativ zu sehen. Barbara Wolf und ihr Team haben die Stellwände eng platzieren müssen, um wenigstens einen Teil, nämlich 14 Planungen, des umfänglichen Werks präsentieren zu können. Das ist gut gelungen, und das Augsburger Museum ist schließlich auch ein passender Ort für Hansjakobs Werke. Viermal hat er für Augsburg gearbeitet, wie bei fast allen Aufträgen auch hier mit seinem jüngeren Bruder Anton, der vor zwei Jahren verstorben ist und dem die Ausstellung ebenfalls gilt. Seine bis heute von den Bürgern geliebte und von Sportlern geschätzte Arbeit ist die Kanu-Strecke für die Olympischen Spiele 1972, wo er den Eiskanal zu einer kühnen Wildwasserstrecke formte und mit Versorgungsbauten, Baumgruppen und Wiesen in die Lechauen einband.
Mit dem Universitätsviertel beteiligte sich das Büro Hansjakob, das der junge Ingenieur vor über 50 Jahren in München gründete, ab 1971 an der südlichen Stadterweiterung, die den Universitätscampus mit Wohnbauten vereinigte. Das UniWohnviertel ist angenehm durchgrünt, von grün eingefassten Plätzen belebt, und der Campus-Park bietet Studenten und Anwohnern ein freundliches Naherholungsgebiet.
Hansjakob hielt die Hangkante, die durch den Campus-Park führt, als Frischluft- und Wasserschutzzone frei, ermöglichte dadurch auch Sichtbeziehungen zum östlich gelegenen Siebentischwald und passte die Vegetation den unterschiedlichen Bodenverhältnissen entlang der Terrasse an – oben wachsen Eichen und Hainbuchen, unten Kiefern. Baum- und Strauchgruppen schaffen anheimelnde Räume, Wege schlängeln sich durchs Campus-Gelände. Das wurde sensibel modelliert, und die planerischen Überlegungen erkennt man nur bei genauem Hinsehen. So soll es sein: Was der Planer denkt, lässt er dann wachsen, und so ergibt sich ein quasi natürlicher Eindruck, auch wenn das Ganze genau geplant ist.
Auch beim Klinikum Augsburg ist die „heitere Parklandschaft“, die Gottfried Hansjakob ab 1973 schuf, bis heute als großzügiger Bereich für Patienten-Spaziergänge und als atmender Kontrapunkt gegen die starre Großform des Klinikbaus erhalten. Aufgelöst und umgebaut wurde inzwischen dagegen der Königsplatz, den der Landschaftsarchitekt 1975 entwickelte. Dass er dies zusammen mit Augsburger Stadtplanern, Gestaltern und Architekten tun konnte, war ein Novum – erst langsam setzte sich die Überzeugung durch, dass Hochbau, Stadträume und Grün zusammengehören. Bis dahin waren Grünplaner eher pflanzende Dekorateure gewesen, die eine fertige Bauplanung mit Blumenrabatten und Strauchreihen ergänzten. Dass Architektur, Stadtund Freiraumplanung eine Einheit bilden, dass es oft sogar besser ist, zuerst den Stadtraum zu konzipieren und dann erst die Hochbauten, das hat sich auch dank der Brüder Hansjakob durchgesetzt.
Außer in Augsburg konnten Gottfried Hansjakob und seine Mitarbeiter diese Überzeugung in einer Fülle von Projekten in ganz Deutschland und Österreich umsetzen. Die größten davon zeigt das Architekturmuseum in Fotografien, Plänen und Modellen: den Rheinauenpark in Bonn etwa, wo die lieblos zugebaute und von einer Autobahnbrücke dominierte Rheinaue durch Bepflanzung, neue Modellierung und einen See zur verspielten Erholungslandschaft wurde, mit dem Rhein und dem Siebengebirge im Hintergrund. Oder in München die Neue Messe in Riem, wo die zwölf mächtigen Messehallen in einen blühenden Park und grüne Atrien eingebunden sind. Ein interessantes Stück planerischer Zeitgeschichte bietet München-Neuperlach, von 1969 bis 1986 als „Entlastungsstadt“geplant (auch damals herrschte in München schon Wohnungsnot) – zunächst als Zeilenbauten mit viel Grün dazwischen, dann als massiver Hochhausring mit einem innenliegenden Park, in der dritten Phase schließlich als kleinteiligere Mischung. Hansjakobs Grünplanung hatte dabei jeweils die Aufgabe, durch bewachsene Freiräume dem Leben der dicht an dicht untergebrachten Menschen mehr Luft zu verschaffen.
Stadtreparatur durch grüne Raumplanung praktizierte Gottfried Hansjakob vielfach: Am Münchner Altstadtring führte er nach dem Neubau der Staatskanzlei Hofgarten, Finanzgarten und Englischen Garten in einem neuen Park zusammen. In Köln wurde der Ring von vier auf zwei Autospuren zurückgebaut,
Beliebte Naherholungsziele: Eiskanal und Unicampus
dafür konnte ein mit Platanen bepflanzter Boulevard entstehen. In Bregenz, wo das Seeufer nahe dem Hafen lange Zeit der Schrottplatz der Stadt war, gestaltete Hansjakob 1976 bis 1978 einen englischen Landschaftsgarten mit lockeren Baum- und Strauchgruppen und Sichtbeziehungen zu Freibad und Festspielhaus. Und in Wien, wo der gebürtige Salzburger nach einer Gärtnerlehre studiert hatte und als 25-Jähriger seinen ersten Wettbewerb für die Gartenschau gewann, in Wien verwandelte er das Überschwemmungsgebiet der Donau in einen viel genutzten Naherholungsbereich.
Ja, es muss ein toller Beruf sein, die Welt mit Bäumen, Sträuchern und Blumen, mit Gärten und Parks ein wenig schöner zu machen, so wie es Gottfried Hansjakob mit seinem gewaltigen OEuvre getan hat. Höchst verdienstvoll ist, dass die Technische Universität München seine Planunterlagen archiviert hat und dass Barbara Wolf im Architekturmuseum Schwaben daraus eine eindrucksvolle Retrospektive mit einem umfangreichen Katalog (Mercator Verlag, 232 Seiten) gestaltete. O
Laufzeit der Ausstellung bis 19. Au gust im Architekturmuseum Schwaben, Thelottstr. 11, geöffnet Donnerstag bis Sonntag 14 bis 18 Uhr.
In Bregenz wurde Seeufer zum englischen Garten