Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Frage der Woche Sein Kind jetzt Joachim nennen?
Joachim war einmal ein sehr beliebter Name. Bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts. Dann ebbte der Hype ab, mittlerweile liegt die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Kinder mit dem Namen Joachim sich in einer Klasse befinden, bei weniger als ein Prozent. Man weiß nicht genau warum. Aber man versteht ja ohnehin sehr vieles nicht. Offenbar scheint für heutige Eltern dem Namen das gewisse Etwas zu fehlen, der Zauber, die Leichtigkeit, die zum Beispiel dem Niklas oder dem Julian innewohnt. Jedenfalls: Der Name steht im Abseits, obwohl es wirklich vortreffliche Männer gibt und gab, die ihm alle Ehre machten. Hier eine Auswahl: Sauer, Ehemann der Kanzlerin, toller Physiker; Fuchsberger, bester Edgar-Wallace-Inspektor aller Zeiten; Meisner, Bischof, unbeirrbar. Außerdem: Heiliger Vorfahr, der Vater Marias, somit Opa von Jesus – auch ein Joachim. Dann hätten wir da noch einen sehr netten Kollegen. Braucht es mehr Gründe? Hier der nächste: Joachim ist ein Name mit Top-Bedeutung. Wer im Leben den Namen „von Jahwe aufgezogen“trägt, der mag sich vielleicht zum Heulen in die Kabine flüchten wollen, aber er tut es nicht: Gratuliert erst mal aufrecht dem südkoreanischen Trainer. Weil ihn sein großer Erzieher am Schlafittchen in die Höhe hält … Ein Paartherapeut hat im Übrigen herausgefunden, dass Männer mit dem Namen Joachim wahre Gentlemen und Familienmenschen sind. Ganz im Gegensatz zu flatterhaften Udos. Das aber fällt unter die Rubrik: Ernst beiseite! (einziger Kalauer im Text). Kommen wir zum letzten Grund: Sie haben mit Ihrem Baby Großes vor? Es gibt nichts Größeres als die WM. Bekennen Sie sich also zum Weltmeister! So bald kommt aus Deutschland vielleicht keiner mehr nach. Und Jogi klingt doch auch voll süß!
Warum wohl ist kaum je jemand auf die Idee gekommen, sein Kind Goliath zu nennen? Oder Varus? Nur weil die Namen irgendwie zu hart und hässlich klingen? Warum hat Kapitän Ahab in „Moby Dick“erst gar keinen Vornamen? Und wer schluckte nicht schwer und krampfte im Gemüt, erführe er, dass ein Paar seinen Sohn Ödipus taufen hat lassen? All das zeigt: Nein, legendäre Verlierer und tragische Figuren wählt sich keiner zum Namenspaten – das wirkte ja, als wollte man die dunklen Schicksalsmächte noch herausfordern.
Es mag ja mal eine Zeit gegeben haben, da Deutschland, wiedergeboren in einem Sommermärchen, selbst noch als Schland bekosenamt wurde – und da mag neben Jogi auch Joachim für Glaube, Liebe und Hoffnung gestanden haben. In einer Reihe mit WM-Stern bewährten Feldherren wie Sepp, Franz und Helmut oder Offizier Jupp. Aber wohl selbst zur Schland-Zeit sind mehr Kinder Mats und Bastian, Lukas und Manuel getauft worden – oder Mario. Eher nicht Miro(slav). Und seltener noch Sami, Mesut oder Ilkay. Aber am seltensten: Joachim. Nicht aus Kulturdünkel – der Name stammt aus dem Hebräischen, über die Kreuzzüge hierher gelangt, bedeutet irgendwas mit Jahwe – sondern weil er auf unschöne Art nicht mehr zeitgemäß ist …
Und all das zusammengenommen soll nun nach dem trostlosen Ableben von Sommermärchen-Schland ausgerechnet Joachim eine Alternative sein? Wo sich Deutschland doch zwischen Alexander (dem Beschützer) und Angela (dem Engel) spaltet und darüber womöglich zum Horst (dem Hengst, der aus dem Wald kommt, oder so) macht? Um Jahwes willen, nein, wer schickt sein Kind schon freiwillig ins PausenhofMartyrium? Du Jogi!? Da noch lieber Goliath Löw. Das hätte wenigstens Format.