Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Servus Baby!
Fernsehen München bekommt eine neue Serie. Diesmal aber steht kein Strizzi oder Stenz im Mittelpunkt, sondern vier junge Frauen um die 30. In einer weiteren Hauptrolle: die bayerische Landeshauptstadt
Lou ist am Boden. So hat sie sich den Abschluss ihres 30. Geburtstags nicht vorgestellt. Statt mit ihrem langjährigen Freund Domi die Party romantisch ausklingen zu lassen, findet sie sich plötzlich heulend auf der Straße wieder: Domi hat ihr kurzerhand eröffnet, dass er sie verlässt und sie die gemeinsame Wohnung im Münchner Glockenbachviertel räumen muss. Zu allem Überfluss erwartet er auch noch ein Kind mit ihrer Arbeitskollegin Annabelle. Auf einen Schlag fällt Lous Lebensentwurf in sich zusammen. Statt langsam an die Familienplanung zu denken, heißt es jetzt für sie erst mal wieder, eine Wohnung zu finden und, noch wichtiger, einen potenziellen Vater für ihr Kind. Beides ist nicht ganz einfach, wie sich herausstellt. Gut, dass wenigstens ihre besten Freundinnen Mel, Eve und Tati zu ihr halten.
Die vier jungen Frauen stehen mitten im Leben, irgendwo zwischen Karriere und Kinderwunsch. Sie sind die Protagonistinnen der neue Serie „Servus Baby“, die auf dem Münchner Filmfest gerade ihre Weltpremiere gefeiert hat, in der Reihe „Neue deutsche Serie“. Im Herbst strahlt der Bayerische Rundfunk alle vier Folgen der ersten Staffel im Fernsehen aus.
Die Idee dafür stammt von der jungen Regisseurin und Schauspielerin Natalie Spinell. Mit dem Pilotfilm zu „Servus Baby“schloss sie 2015 ihr Studium der Spielfilmregie an der Hochschule für Fernsehen und Film München ab. Ursprünglich hätte es ein Kurzfilm werden sollen, doch Spinell merkte rasch, dass das Thema diesen Rahmen sprengen würde. „Mich hat fasziniert, dass die tickende biologische Uhr ein Problem ist, über das viele hinter vorgehaltener Hand sprechen“, sagt die 35-Jährige. „Doch über diesen Druck muss man auch reden und lachen können, finde ich.“Aus dem Stoff wurde schließlich eine Kurzserie, die erste Folge als Abschlussprojekt, die weiteren drei als Spinells TV-Debüt.
In jeder Folge steht eine der Freundinnen im Fokus. Jede der vier hat andere Probleme, doch alle bilden sie die Generation der „Frau-
en um die 30 in der Stadt“ab. Sie stehen im Beruf, die eine mehr, die andere weniger zufrieden, entwachsen langsam der wilden Jugend und sind doch irgendwie noch alle auf der Suche. Nach dem, was wirklich wichtig ist im Leben, nach dem großen Plan, und natürlich nach der Liebe. Damit die Männersicht auf diese Themen nicht zu kurz kommt, hat Spinell sich für die Drehbücher ihren Partner und Schauspiel-Kolle-
Felix Hellmann an die Seite geholt, der dem deutschen Kinopublikum unter anderem aus den RalfWesthoff-Filmen „Shoppen“und „Der letzte schöne Herbsttag“bekannt ist. Beim gemeinsamen Schreiben habe man sehr viel gelernt über die Sicht des jeweils anderen Geschlechts, erzählt Hellmann – „gar nicht so unpraktisch für die eigene Partnerschaft.“
Auch für den Zuschauer führt die
Zusammenarbeit zu einem gelungenen Ergebnis: Die unverblümten, spritzigen Dialoge treffen, die liebevoll gezeichneten Figuren nehmen rasch mit. Co-Autor Hellmann tritt auch als Schauspieler auf, als verschrobener Kollege von Mel verleiht er der Männerwelt Tiefgang. Zudem darf sich der Memminger Kabarettist und Schauspieler Maximilian Schafroth von seiner sensiblen Seite zeigen, als potenzieller Heigen ratskandidat und stiller Sympathieträger. Und es gibt mit München noch eine weitere gut besetzte Rolle. Die bayerische Landeshauptstadt ist mehr als nur Kulisse, sie ist der Nährboden für die Sorgen und Hoffnungen von Lou, Mel, Eve und Tati. Ein München, das sie lieben und manchmal auch verfluchen. „Das Thema ist universell, trotzdem ist ,Servus Baby‘ für uns eine München-Serie“, sagt Hellmann. „Hier muss schon besonders viel passen: die Wohnung, der Job – der gefühlte Druck auf den Einzelnen ist in München besonders hoch.“
„Servus Baby“steht damit in der Tradition der großen München-Serien der 80er Jahre. Doch während Helmut Dietl in „Kir Royal“vor allem die glänzenden wie die Schattenseiten der Münchner High Society, der berühmten Bussi-bussi-Gesellschaft, beleuchtete, der „Monaco Franze“alias Helmut Fischer bevorzugt durch Schwabing schlenderte und Franz Xaver Bogner in „Zur Freiheit“eine feine Milieustudie der Arbeitergegend rund um den Münchner Schlachthof vorgelegt hat, nimmt „Servus Baby“nicht ein bestimmtes Münchner Viertel in den Fokus. Sondern fängt die Bewegung der Stadt ein aus der Sicht der Generation ihrer Protagonisten. Es ist ein München zwischen Gemütlichkeit und Gentrifizierung, zwischen Hinterhof und Loft.
Das besondere Flair der Stadt spielt immer mit, drängt aber nicht zu sehr in den Vordergrund. „Die Serie ist schon eine Liebeserklärung an München, aber wir wollten bewusst nicht das Hochglanzbild zeigen, sondern das München des Otto-Normal-Bürgers, die kleinen Orte, wo wir selbst gern sind“, sagt Regisseurin Spinell. Also schlendern Lou und Co. nicht ständig über den Marienplatz, sondern stehen auch mal auf dem Krankenhausdach, wo der Blick nicht über die Alpen, sondern über die Türme des Heizkraftwerks schweift.
Das wirkt unaufdringlich und lebensnah. Und macht die Serie, zusammen mit den sympathischen Hauptdarstellern zu einer unterhaltsamen Generationenbetrachtung, die nicht nur Münchner interessieren dürfte. Über eine Fortsetzung wird bereits verhandelt.