Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Trumps Horror-Show von Helsinki
Leitartikel Dem amerikanischen Präsidenten ging es beim Gipfel mit Putin vor allem um Selbstdarstellung. Neben dem Kreml-Chef wirkte er aber nur jämmerlich
Er hat ihn tatsächlich gefragt. Aber Putin hat „Nein“gesagt. Keine Troll-Angriffe auf soziale Netzwerke, keine HackerAttacke auf die Rechner der US-Demokraten, kurzum: keinerlei Einmischung in den US-Wahlkampf. „Er hat gesagt, dass Russland es nicht war“, erklärte Donald Trump nach seinem Gespräch mit dem russischen Präsidenten treuherzig: „Und ich sehe keinen Grund, warum sie es gewesen sein sollen.“
Man muss zwei oder dreimal durchatmen, um die Ungeheuerlichkeit dieser Szene zu erfassen: Seit zwei Jahren liefern sämtliche US-Geheimdienste immer neues Material, aus dem hervorgeht, dass Personen in St. Petersburg und in Moskau 2016 gezielt und massiv versucht haben, die demokratischen Präsidentschaftswahlen in den USA zu beeinflussen. Gerade erst hat der vom US-Justizministerium eingesetzte Sonderermittler Robert Mueller Anklage gegen zwölf russische Geheimdienstoffiziere erhoben. Seine Papiere listen minutiös auf, wie die Cyber-Attacke ablief. Unklar ist nur, ob die Aktion von Putin angeordnet worden war. Aber ein fremdes, autokratisch regiertes Land hat versucht, Einfluss auf das höchste Gut jeder Demokratie zu nehmen – die freie, gleiche Stimmabgabe seiner Bürger.
Und was macht der amerikanische Präsident bei seiner Begegnung mit dem fremden Staatschef? Er windet sich, relativiert, befeuert Verschwörungstheorien, kritisiert die heimische Opposition und stellt sich schließlich gegen seine eigenen Behörden auf die Seite des Autokraten. Keine Kritik, nicht einmal eine Ermahnung, nichts.
Der von Trump seit Monaten angepriesene Gipfel von Helsinki hat den denkbar schlechtesten Verlauf genommen. In der Sache hat er offenbar keine Fortschritte gebracht. Tatsächlich hatten die beiden Präsidenten in ihrer Pressekonferenz kaum mehr als Plattitüden zu verkünden: Man müsse das Vertrauen zwischen den Supermächten stärken, für den Frieden arbeiten und die Verbreitung von Atomwaffen begrenzen, erklärten sie. Weder zum Bürgerkrieg in Syrien, noch zur Zukunft der Ukraine gab es irgendetwas Konkretes.
Offensichtlich hat Trump den kühlen Machtstrategen Putin sträflich unterschätzt. Während der US-Präsident im Vorfeld mit seiner Kritik an der Nato, Attacken gegen Deutschland und der Diffamierung der Europäischen Union als „Gegner“den Westen gespalten und Russland in die Karten gespielt hatte, blieb Putin mit maliziösem Lächeln eisenhart. Von Anfang an hatte er bei der Begegnung die Oberhand. Das ganze Bild, das Trump neben dem stets kontrollierten Kreml-Chef abgab, war jämmerlich. Natürlich erwähnte er weder die Lage der Menschenrechte in Russland, noch sprach er sich für die Pressefreiheit aus. Das wäre auch schräg herübergekommen, nachdem er zu Hause die Journalisten als „Feinde des Volkes“beschimpft und sich inzwischen weigert, Fragen des US-Nachrichtensenders CNN zu beantworten. Je länger die Pressekonferenz in Helsinki dauerte, desto mehr schien Trump den Anlass zu vergessen und von seiner aberwitzigen Selbstfixierung übermannt zu werden.
Als Zuschauer fühlte man sich eher in einer Horror-Show. Der Gedanke, dass bei dem Vier-AugenGespräch mit Putin außer zwei Dolmetschern keinerlei Ohrenzeugen dabei waren und die Welt wahrscheinlich nie erfahren wird, was dort vereinbart wurde, wirkt beunruhigend. Bislang schien es kompromittierendes Material gegen einen US-Präsidenten, das in Moskauer Panzerschränken schlummert, nur in der fiktiven Welt der Agenten-Thriller zu geben. Nach der bizarren Vorstellung von Helsinki ist man sich nicht mehr so sicher.
Keine Kritik, nicht einmal eine Ermahnung, nichts.