Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Mit Fantasie und Mut kann die Rente überleben
Die Altersversorgung der Zukunft muss dringend auf neue Beine gestellt werden. Als sozialer Reparaturbetrieb ist die gesetzliche Rente ungeeignet
Wer über die Rente nach 2030 sinniert, braucht Zuversicht. Denn alle Prognosen zur Bezahlbarkeit könnten dunkle Zeiten erwarten lassen. Um es auf den Punkt zu bringen: Seit Jahren ist klar, dass immer weniger Beitragszahler für immer mehr Rentner, die zudem immer länger leben, aufkommen müssen. Und zwar dann, wenn sich nichts Entscheidendes ändert. Ein jahrzehntelang funktionierendes Geben und Nehmen zwischen den Generationen würde sein Gleichgewicht verlieren.
Die Politik versucht zu beruhigen und verkündet, dass der Rentenbeitrag (die Last der Jüngeren) die Grenze von 20 Prozent nicht überschreiten soll; und dass die Rente im Vergleich zum letzten Gehalt ein bestimmtes Niveau (darauf schauen die Älteren) nicht unterschreiten darf, ein für die individuelle Rente eher wenig aussagekräftiger statistischer Wert.
Die Grundlagen gesicherter Alterseinkommen in der Zukunft werden in der Gegenwart gelegt. Entscheidend sind und bleiben die eingezahlten Beiträge in jede Art der gesetzlichen oder betrieblichen Vorsorge. Hinzu kommt die private Absicherung in Form von Immobilien, Versicherungen oder anderen Ersparnissen, was viele Menschen bereits finanziell überfordert.
Die gesetzliche Rente ist ein Spiegelbild der sozialversicherungspflichtigen Einkünfte eines ganzen Berufslebens. Egal, wo und wie jemand gearbeitet hat, wenn er nicht Beamter oder Selbstständiger war. Wenn sie nicht zum Leben reicht, muss dies der Staat, also die Gesamtheit der Steuer- und nicht der Beitragszahler, auffangen. Heute tut er es in Form der Grundsicherung im Alter. Aber er produziert gleichzeitig fleißig künftige Leistungsempfänger, indem er für die Bezieher von Hartz IV keinen Rentenbeitrag leistet. Für diese Menschen steht jetzt schon fest, dass ihnen die Rente nicht reichen wird. Heute entstehende Lasten werden so künftigen Generationen aufgeladen. Hier wird sich die von der neuen Bundesregierung eingesetzte Rentenkommission etwas einfallen lassen müssen, wenn sie das System für die kommenden Jahrzehnte sturmfest machen will.
Ein weiterer äußerst strittiger Punkt für die Experten: Wie lange müssen wir künftig arbeiten? Die Einführung der Rente mit 67 war die bislang letzte wirklich grundlegende Reform. Diese Altersgrenze wird irgendwann infrage gestellt werden. Das Problem nur: Die Menschen sind nicht alle gleich und in ihren Berufen sehr unterschiedlich belastet. Nicht jedem ist zumutbar, bis 67 oder später mal vielleicht bis 69 oder 70 zu arbeiten. Die individuellen gesundheitlichen Risiken, die zu einer früheren Verrentung führen, können aber nicht länger einseitig der Rentenversicherung aufgebürdet werden.
Was wäre alternativ wenigstens überlegenswert? Individualisierte Rentenbeiträge beispielsweise: für Beschäftigte am Bau, in der Schwerindustrie oder in der Pflege – um nur ein paar Beispiele zu nennen – könnten höhere Arbeitgeberanteile in die Rentenversicherung einbezahlt werden. Dafür können diese Menschen früher in Rente gehen, ohne dies mit einem verringerten Alterseinkommen teuer zu bezahlen. Oder eine verpflichtende private Absicherung durch den Arbeitgeber. Oder aber die moderne Arbeitswelt entwickelt Modelle, in die sich die Menschen altersgerecht beruflich einbringen können.
Wer heute über die Garantie einer Altersversorgung weit über das Jahr 2040 hinaus zu entscheiden hat, braucht nicht nur Zuversicht, sondern auch Fantasie, Ideen und Mut. Im Vergleich dazu ist das, was Sozialminister Hubertus Heil (SPD) jetzt als Rentenpaket auf den Tisch gelegt hat, eher eine Kleinreparatur.
Nicht jedem ist zumutbar, bis 67 oder länger zu arbeiten