Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Polizisten fordern härtere Strafen nach Angriffen
Sicherheit In keiner bayerischen Großstadt werden mehr Beamte zu Opfern von Gewalt als in Augsburg. Wie die Polizeibeamten damit umgehen, was sie sich wünschen – und warum sie dabei auch selbstkritisch sind
Sie möchte nicht, dass darüber einfach geschwiegen wird. Eva Schichl, die Chefin des Innenstadt-Polizeireviers, sucht das Gespräch mit den Kollegen, die im Dienst angegriffen und beleidigt worden sind. Sie sollen spüren, dass sie damit nicht alleine gelassen werden. Eva Schichl muss solche Gespräche häufiger führen als die anderen Polizeichefs im Freistaat. In keiner bayerischen Großstadt werden mehr Übergriffe auf Polizisten gezählt als in Augsburg.
Das Innenministerium nennt auf Anfrage unserer Redaktion die Zahlen dazu. Demnach gab es im vorigen Jahr in Augsburg 166 Übergriffe auf Beamte pro 100000 Einwohner (481 Fälle mit 111 verletzten Beamten). An zweiter Stelle folgt Regensburg mit deutlichem Abstand. Hier waren es 120 Übergriffe je 100000 Einwohner. In München waren es mit 74 Übegriffen je 100000 Einwohner nicht mal halb so viele Fälle wie in Augsburg. Woran das liegt? Bei der Augsburger Polizei bewertet man vor allem das Nachtleben in der Innenstadt seit Jahren sehr kritisch. Hier gebe es gerade im Sommer fast jedes Wochenende Attacken auf Polizisten, heißt es im Präsidium. Meist seien die Täter betrunken.
Die Polizei verfolgt den Kurs, die Gewalttäter konsequent anzuzeigen. Allerdings sind viele Beamte nicht zufrieden mit dem, was die Justiz daraus macht. Das sagen die regionalen Vertreter der Gewerkschaft der Polizei (GDP) und der deut- Polizeigewerkschaft (DPolG) im Gespräch mit unserer Redaktion. Er habe keine Statistik zu den Urteilen, sagt Martin Oberman, der Bezirksvorsitzende der DPolG. „Aber wenn man mit Kollegen spricht, dann hört man immer wieder Unmut darüber, dass Täter aus ihrer Sicht nicht ausreichend bestraft werden.“
Martin Oberman nennt das aktuelle Beispiel zweier Streifenpolizisten, die bei einem Familienstreit schlichten mussten. Einer der Streitenden sei so aggressiv gewesen, dass sie ihn fesseln mussten. Das Verfahren gegen den aggressiven Mann sei gegen die Zahlung einer Geldauflage von der Justiz eingestellt worden. Dafür seien die Kollegen nun mit einer Gegenanzeige durch den Betroffenen konfrontiert – er wirft den Beamten Körperverletzung im Amt vor. Martin Oberman sagt: „Viele Kollegen sind der Ansicht, die Gerichte sollten die möglichen Strafen mehr ausschöpfen, als es bisher der Fall ist.“
Das wünscht sich auch Karlheinz Klose, Bezirkschef der Gewerkschaft der Polizei. Und er sagt: „Die Strafe sollte auf den Fuß folgen und nicht erst Monate später.“Die oft lange Verfahrensdauer führe dazu, dass ein Täter das Geschehen gedanklich oft schon abgehakt habe und eine Strafe keinen erzieherischen Effekt mehr auslöse. Karlheinz Klose will den Staatsanwälten und Richtern da aber keinen Vorwurf machen. Der Gewerkschafter sagt: „Dazu braucht die chronisch überlastete Justiz eben auch gewaltig mehr Personal.“Der CSU-Stadtrat Peter Schwab, der als Beamter bei der Autobahnpolizei tätig ist, geht mit seiner Kritik noch einen Schritt weiter. „Die Strafen an sich sind oft zu lasch“, sagt er. „Nicht nur bei Angriffen auf Kollegen.“Peter Schwab sagt, er habe den Eindruck, die Rechtsanwälte würden ihren Job immer besser machen und viel für Täter rausholen. Die Justiz halte da nicht dagegen.
Peter Schwab ist überzeugt: Die Polizei müsse vor allem Stärke zeigen, damit sie auch von jenen wieder ernst genommen wird, die im Moschen ment keinen Respekt mehr haben. Peter Schwab ist auch Bezirksvorsitzender des CSU-Arbeitskreises Polizei. Lob kommt von ihm für die verbesserte Ausrüstung der Polizei – etwa mit komfortableren Schutzwesten, Uniformkameras und einem neuen, ausziehbaren Schlagstock aus Metall. Auch die Gewerkschaften sehen das positiv. Martin Oberman wünscht sich zudem, dass die Streifen auch mit Elektroschock-Pistolen ausgestattet worden. Der Polizeibeamte Peter Schwab gibt sich auch selbstkritisch. Er sagt, die Polizei habe ein Stück weit den engen Kontakt zu den Bürgern verloren.
Früher seien Beamte öfter auf der Straße anzutreffen gewesen. Heute beschränke sich der Kontakt meist darauf, das ein Streifenwagen vorbei fahre. Und er wünscht sich mehr Rückhalt für die Polizisten von der Polizeiführung, wenn sie streng und konsequent durchgreifen. Eine Überschrift aus der Neuen Zürcher Zeitung – kurz NZZ – treffe es ganz gut, meint Peter Schwab. Die Zeitung hatte einen Kommentar über die Polizei in Deutschland so überschrieben: „Deutschland wollte Soft-Polizisten – die stehen jetzt in bedrohlichen Situationen ohnmächtig da.“»Kommentar