Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Herbergsvater für hunderte Flüchtlinge
Porträt Frank Kurtenbach leitet das Ankerzentrum für Asylbewerber in Schwaben. Was den Job des 54-Jährigen so knifflig und manche Tage ungewollt länger macht
Für den Job als Herbergsvater muss man gemacht sein. Jeden Tag kommen andere Gäste. Die einen sind freundlich und pflegeleicht, die anderen unsympathisch und anstrengend. Die einen kommen aus der Nähe und sprechen dieselbe Sprache, die anderen sind weit gereist und kommunizieren mit Händen und Füßen. Die einen bleiben nur kurz, die anderen länger. Der Herbergsvater muss mit allen irgendwie auskommen – ist ja schließlich sein Job.
So geht es auch Frank Kurtenbach, der ein Herbergsvater der besonderen Art ist. Seine Gäste sind keine Schulklassen, Pfadfinder oder Pilger, sondern Flüchtlinge. Und zwar mehrere hundert zugleich. Frank Kurtenbach ist Leiter der schwäbischen „Einrichtung für Ankunft, Entscheidung und Rückführung“, kurz: Ankerzentrum.
Nun soll nicht der Eindruck entstehen, dass es sich dabei um eine Art Jugendherberge handelt, in der Frank Kurtenbach abends mit Asylbewerbern zusammen sitzt und Lieder singt. Ein Ankerzentrum ist kein Ort für Lagerfeuerromantik. Hier wird knallhart entschieden, ob Flüchtlinge bleiben dürfen oder gehen müssen. Gerade in diesem Spannungsfeld wirkt Kurtenbach dann aber doch wie ein Herbergsvater – der als Beamter bei der Regierung von Schwaben klaren Regeln folgt, dem die Menschen in seiner Unterkunft aber nicht egal sind. So pendelt der 54-Jährige zwischen seinem Büro in Augsburg und der Flüchtlingsunterkunft in Donauwörth, regelt Abschiebungen und klärt zugleich, wer mit wem in welchem Zimmer wohnt. Es liegt in seiner Verantwortung, dass die aktuell rund 600 Flüchtlinge angemessen untergebracht und ihre Asylverfahren möglichst effizient, also schnell, abgewickelt werden. Gleichzeitig muss er für Sicherheit sorgen – keine leichte Aufgabe bei hunderten Menschen, die mit großen Hoffnungen hierhergekommen sind, aber nicht bleiben dürfen. Und er ist Koordinator einer Einrichtung, in der Bundes- auf Landesbehörden treffen, hauptamtliche Juristen auf ehrenamtliche Helfer und private Sicherheitskräfte auf traumatisierte Flüchtlinge.
Eine Herausforderung nennt das alles Kurtenbach, der sich bis 2011 am Landratsamt Augsburg um illegale Wettbüros oder das Verbot der Straßenprostitution gekümmert hat. Dann kam der Wechsel zur Regierung und als die Flüchtlingszahlen immer weiter anstiegen, kam das Thema Asyl auf den Schreibtisch des Verwaltungswirts. An manchen Tagen zehre der Job schon an den eigenen Kräften, räumt der dreifache Familienvater ein. Der vergangene Freitag war so ein Tag. Da rückten 250 Polizisten zum Ankerzentrum aus, wie auf Bayern zu lesen ist. Frank Kurtenbach war von morgens halb vier bis nachts um halb zwölf im Dienst. Manchmal dauern die Tage eines Herbergsvaters etwas länger. Michael Böhm