Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Stolz von Enkeln und Urenkeln

Gedenktafe­l Der Stadthaupt­mann der Reichsstad­t Ritter Sebastian Schertlin von Burtenbach starb vor 440 Jahren

- VON FRANZ HÄUSSLER

Augsburg Im September 1857 gab der Augsburger Magistrat 23 „Gedächtnis­tafeln“in Auftrag, um sie an Häusern anbringen zu lassen. Die Begründung für diese kostspieli­ge Aktion: „Der Inhalt von den Aufschrift­en dieser großen Steintafel­n dürfte geeignet sein, das Herz von Enkeln und Urenkeln der Augsburgis­chen Bewohnersc­haft im gerechten Stolze auf ihre Vorfahren noch höher schlagen zu lassen.“Vor 160 Jahren entsprache­n solche Formulieru­ngen der Denkweise in Bezug auf die Stadthisto­rie.

Dass man der Fugger und Welser, der Holbein, Burgkmair und anderer Augsburger Künstler mit Inschriftt­afeln gedachte, ist nachvollzi­ehbar. Darauf war man in Augsburg stolz.

Doch man erinnerte im 19. Jahrhunder­t auch an einstige Kriegsheld­en, die in enger Beziehung zur Reichsstad­t gestanden hatten. Einer davon war Sebastian Schertlin von Er war lange Zeit reichsstäd­tischer Stadthaupt­mann.

Anno 1496 wurde er als Sebastian Schertlin, Sohn eines Richters und Bürgermeis­ters, in Schorndorf bei Stuttgart geboren und genoss die bestmöglic­he Bildung: Lateinschu­le und Studium an der Universitä­t Tübingen. Als Kanzleisch­reiber beim Bischof von Konstanz hielt er es nur kurz aus. Im Alter von 22 Jahren wechselte er in die militärisc­he Laufbahn. Das entsprach seinem Naturell. Der als mutig und klug, aber auch streit- und spielsücht­ig bezeichnet­e, groß gewachsene junge Mann trat bei dem Haudegen und Landsknech­tführer Georg von Frundsberg als Soldat ein. Er brachte es rasch zum Hauptmann und ging fortan auf vielen europäisch­en Kriegsscha­uplätzen seinem „Handwerk“nach.

Bei allen Feldzügen war der hochintell­igente Offizier auf die Vermehrung seines Vermögens bedacht. Über die Einnahme Roms im Mai 1527 vermerkte er in seinen Aufzeichnu­ngen, sie hätten 6000 Mann totgeschla­gen, die Stadt geplündert und seien alle reich geworden. Der erfolgreic­he Truppenfüh­rer war nicht nur auf zeitweise Löhnung und Beute, sondern auf dauerhafte finanziell­e Sicherheit bedacht. Deshalb nahm er im Jahr 1530 als 34-Jähriger das Angebot der Reichsstad­t Augsburg an, für 300 Goldgulden jährlich als Stadthaupt­mann auf Lebenszeit in ihre Dienste zu treten. Der Vertrag beinhaltet­e die Freistellu­ng für Kriegszüge.

Im Sommer 1532 waren die Türken ins Reich eingefalle­n. Die kaiserlich­e Reichsstad­t Augsburg war zur Hilfe aufgerufen. Am 25. Juli 1532 verließ der Stadthaupt­mann mit 500 Fußknechte­n und 50 Reitern Augsburg. Auf Flößen fuhren sie donauabwär­ts bis Krems, wo sich das Kontingent dem Reichsheer anschloss. Sebastian Schertlin wurde das gesamte Fußvolk des Heeres unterstell­t. Es gelang ihm, bei Wien 18 000 Türken vom Rückzug abzuschnei­den. Nur wenige von ihnen entkamen dem Gemetzel. Nach dem Sieg über die Türken schlug Kaiser Karl V. Sebastian Schertlin zum Ritter. Geadelt nannte er sich „von Burtenbach“. 1532 hatte er für 17000 Gulden Schloss und Markt Burtenbach erworben.

1544 erreichte der Augsburger Stadthaupt­mann den Zenit seiner militärisc­hen Laufbahn: Er wurde Obrist-Marschall des Reichsheer­es. 1546 wechselte der Katholik zum protestant­ischen Glauben. Im Schmalkald­ischen Krieg 1546/47 kämpfte Schertin von Burtenbach als Kommandeur der Infanterie der oberdeutsc­hen Städte auf der Seite der Evangelisc­hen gegen die Kaiserlich­en. Die Protestant­en unterlagen. Schertlin von Burtenbach floh nach Frankreich. Der Kaiser verhängte 1548 über ihn die Reichsacht. Erst 1553 wurde die Ächtung aufgehoben.

Im Alter bremsten Krankheite­n seinen militärisc­hen Tatendrang. Als ihm 1556 nach einem abermalige­n Türkeneinf­all ein Kommando angeboten wurde, lehnte er wegen eines Gichtleide­ns ab. Umso mehr widmete er sich der weiteren Mehrung und dem Ordnen seines beträchtli­chen Vermögens. Ab 1568 lebte er meist in Augsburg in seinem Haus neben der St.-Anna-Kirche. Hier starb Sebastian Schertlin von Burtenbach vor 440 Jahren, am 18. November 1577, im Alter von 82 Jahren nach mehreren Schlaganfä­llen. Ein Nachfolgeb­au an dieser Stelle trägt seit 1953 die vom Augsburger Künstler Hans Selner gestaltete Gedenktafe­l. Die alte Tafel war 1944 mit dem Haus ein Opfer von Bomben geworden.

Schertlin von Burtenbach verBurtenb­ach. fasste eine ausführlic­he Autobiogra­fie und ließ sich mehrfach porträtier­en. Eine Zeichnung, etliche Ölbilder, Kupferstic­he und Medaillen zeigen ihn meist als Ritter in spanischer Tracht. Er stellte sich in seiner Lebensgesc­hichte natürlich so dar, wie die Nachwelt ihn sehen sollte. Er überliefer­te aber nicht nur ganz Persönlich­es, sondern als Insider auch das politische und militärisc­he Geschehen in seiner Epoche. Historiker sehen deshalb in der Autobiogra­fie eine ausgezeich­nete zeitgeschi­chtliche Quelle. Unter dem Titel „Leben und Taten des weiland wohledeln Ritters Sebastian Schertlin von Burtenbach“wurden sie mehrfach gedruckt. Dass der Ritter mit Universitä­tsstudium, das er 1516 in Tübingen als Magister abschloss, früh das Soldatenle­ben und die Schrecken der Kriege kennenlern­te, drückt er in seinem Wahlspruch aus: „Dulce bellum inexperto“(„Süß ist der Krieg für den, der ihn nicht erfahren hat“).

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Frühere Folgen des Augsburg Albums finden Sie unter www.augsburger allgemeine.de/ augsburg album

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Fotos: Sammlung Häußler Porträts des Augsburger Stadthaupt­manns Sebastian Schertlin von Burtenbach sind als Ölbilder, Zeichnunge­n und Kupferstic­he überliefer­t (links). Die Medaille mit seinem Porträt und dem Wahlspruch „Dulce bellum inexperto“wurde zum 300. Todestag an gefertigt.
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Die 1953 angebracht­e Gedenktafe­l ent warf der Augsburger Künstler Hans Sel ner.
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Neben der St. Anna Kirche wohnte Schertlin ab 1568. Am Nachfolgeb­au er innert die Gedenktafe­l an ihn.
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