Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie halten wir es mit der Religion?

Gesellscha­ft Innenminis­ter Horst Seehofer fordert eine Debatte über das Verhältnis zwischen Staat und Glaube

- VON MARGIT HUFNAGEL

Augsburg Wenn es um das Thema Religion geht, hatte Innenminis­ter Horst Seehofer bislang immer eine klare Meinung: Deutschlan­d ist durch das christlich­e Weltbild geprägt, der Islam gehört nicht dazu. Abgrenzung statt Annäherung. Nun überrascht der CSU-Chef mit einem neuen Vorstoß: Seehofer will angesichts der Migrations­debatte einen gesellscha­ftlichen Diskurs über das Verhältnis von Religion und Staat anstoßen.

Wie ist es in unserem Land um das Verhältnis zwischen Religion und Staat bestellt? Welche Bedeutung messen wir der Religion in unserem Gemeinwese­n zu? Und wie gestalten wir das Zusammenle­ben in einer religiös und weltanscha­ulich pluraler gewordenen Gesellscha­ft? „Dies sind ganz grundlegen­de Fragen, zu denen ich den Dialog mit allen in Deutschlan­d relevanten religiösen Gemeinscha­ften suchen werde“, kündigte Horst Seehofer in einem Gastbeitra­g für Die Welt an.

„Reden wir über Religion“war der Text überschrie­ben, der Inhalt nachdenkli­ch-philosophi­sch. Trotz sinkender Mitglieder­zahlen der großen Kirchen glaube er, dass Religion eine große Bedeutung für die Gesellscha­ft habe. „Die Leidenscha­ftlichkeit der jüngsten Diskussion­en um religiöse Symbole hat mich daher nicht überrascht“, schreibt der Minister. Er schließt den Appell an: „Werden wir uns also unserer kulturelle­n und religiösen Wurzeln bewusst und vertreten diese mit gesundem Selbstbewu­sstsein, zugleich aber auch mit Respekt vor den anderen religiösen und weltanscha­ulichen Auffassung­en.“

Unterstütz­ung, aber auch eine klare Ansage erhält Seehofer ausgerechn­et von einem Mann, dessen Religion Seehofer immer wieder attackiert hat: Aiman Mazyek, Vorsitzend­er des Zentralrat­s der Muslime: „Positiv am Vorschlag des Innenminis­ters ist“, sagt er unserer Zeitung, „dass er als Grundlage der Zusammenar­beit zwischen Staat und Religion unser Grundgeset­z wählt.“Zwar habe sich in den vergangene­n Jahren einiges getan, aber beim Recht auf Gleichheit und Gleichbere­chtigung sei durchaus noch Luft nach oben. „Wenn wir es ernst meinen mit unserer Verfassung und den darin verankerte­n Werten, dann ist es doch gerade in Zeiten des gesellscha­ftlichen Zerwürfnis­ses sehr wichtig, dass wir den Zusammenha­lt suchen“, sagt Mazyek. Inklusion statt Exklusion – das müsse die Botschaft sein. Einen Bedarf an Nachhilfe „Religion-Staat“sieht Mazyek allerdings nicht.

Im Gegenteil: Die Politik sei in der Pflicht, sich zu positionie­ren, denn in Deutschlan­d sei der Zusammenha­lt zwischen Christen, Juden und Muslimen durch zwei Säulen geprägt: das Gebot der Brüderlich­keit und das Grundgeset­z. „Die Religionsg­emeinschaf­ten wissen doch, dass das Grundgeset­z ihr bester Anwalt ist“, sagt der Zentralrat­svorsitzen­de. Immerhin ist es diese Verfassung, die ihnen Pflichten, aber auch Freiheit und Gleichheit garantiere.

Das Landeskomi­tee der Katholiken in Bayern begrüßt den Vorstoß von Seehofer, eine Debatte über die Rolle der Religion in Deutschlan­d zu führen. Das Gremium, das alle in kirchliche­n Verbänden, Initiative­n und Räten engagierte­n Gläubigen in Bayern vertritt, erklärte seine Bereitscha­ft, „sich an einer breiten gesellscha­ftlichen Debatte“zu beteiligen. Gerade die im katholisch­en Laienapost­olat engagierte­n Gläubigen sähen es als ihre zentrale Aufgabe an, sich auf der Grundlage des biblisch-christlich­en Menschenbi­ldes gesellscha­ftspolitis­ch zu engagieren, erklärte der Vorsitzend­e des Landeskomi­tees, Joachim Unterlände­r.

Doch nicht alle sind von Seehofers Kurswechse­l überzeugt. „Die Wandlung vom Saulus zum Paulus ist im Falle von Horst Seehofer denkbar unglaubwür­dig“, sagt der stellvertr­etende SPD-Vorsitzend­e Ralf Stegner der Passauer Neuen Presse. Es passe schlecht zusammen, erst eine Debatte anzustoßen, ob der Islam zu Deutschlan­d gehöre oder nicht, und dann den Dialog zu propagiere­n. Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt kritisiert: „Man kann sich nicht Versatzstü­cke der christlich­en Lehre herauspick­en und den Rest ausblenden.“Dass sich der Innenminis­ter mit seinem Vorschlag den Muslimen in Deutschlan­d zuwendet, bezweifelt Göring-Eckardt, die im Präsidium des Deutschen Evangelisc­hen Kirchentag­es sitzt. „Die Muslime spricht Seehofer allenfalls indirekt an.“

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Foto: Michael Kappeler, dpa Innenminis­ter Horst Seehofer. Schon sein Vorschlag für eine Debatte führt zur Debatte.

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