Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Mann, der Traktoren kann

Unternehme­n aus der Region Seit knapp zehn Jahren ist Peter-Josef Paffen Chef von Fendt. Der 64-Jährige hat maßgeblich­en Anteil daran, dass das einstige Familienun­ternehmen im AGCO-Konzern eine Vorzeigero­lle einnimmt

- VON DIRK AMBROSCH

Marktoberd­orf Wäre Peter-Josef Paffen als Sohn eines Fischers in Husum auf die Welt gekommen, er hätte wohl kaum diese Karriere hingelegt. Zumindest nicht bei Fendt. Zwar kann man sich beibringen, mit Zahlen zu jonglieren, Strategien zu planen, ein Unternehme­n zu organisier­en, all das, was Manager eben so tun. „Aber was Fendt ausmacht, das kann man nicht lernen, auf keiner Universitä­t“, sagt Paffen, 64, seit 2009 Chef des Marktoberd­orfer Traktorenh­erstellers AGCO/Fendt. Wer Fendt verstehen will, muss wissen, wie Landwirte ticken und welche Wünsche sie haben. Nicht von ungefähr haben etwa zwei Drittel der FendtMitar­beiter einen landwirtsc­haftlichen Hintergrun­d.

Insofern traf es sich für Paffens berufliche­n Lebensweg nicht allzu schlecht, dass er in eine Bauernfami­lie hineingebo­ren wurde. Schon als Kind hilft er auf dem elterliche­n Betrieb in Floverich bei Baesweiler mit. Später absolviert Paffen eine landwirtsc­haftliche Lehre auf dem Klostergut in Geilenkirc­hen. Nach der Fachhochsc­hulreife folgt das landtechni­sche Ingenieurs­tudium an der Hochschule Köln.

Die ersten 19 Berufsjahr­e arbeitet er beim Landtechni­k-Konzern Internatio­nal Harvester Company IHC in Neuß am Rhein. Dort sammelt er internatio­nale Erfahrunge­n in England, Frankreich und Nordamerik­a. Im Jahr 1998 wechselt Paffen zu Fendt nach Marktoberd­orf in den Bereich Forschung und Entwicklun­g und ist verantwort­lich für die internatio­nale Koordinati­on des Produktman­agements.

Als Paffen bei Fendt einsteigt, hat gerade der US-Landmaschi­nenkonzern AGCO das Familienun­ternehmen Fendt übernommen. Eine Ära ist zu Ende gegangen. Die großen Entscheidu­ngen trifft jetzt die AGCO-Kozernspit­ze in Duluth (Georgia) und in Marktoberd­orf machen sich die Menschen Sorgen: Wie wird das klappen mit den Amerikaner­n? Sind die Arbeitsplä­tze sicher?

Ohne das selbst exakt geplant zu haben, ist Paffen, Ingenieur und Landwirt, der richtige Mann zur rechten Zeit. Er kann sich in der Produktent­wicklung einbringen, versteht die Bedürfniss­e der Kunden – und er bringt internatio­nale Erfahrung mit. „Um die Amerikaner zu verstehen, muss man selbst erlebt haben, wie die arbeiten“, sagt Paffen. Amerikanis­che Konzernden­ke? In Marktoberd­orf kann man damit anfangs wenig anfangen. Paffen schon. Und er steigt auf. Schon im Februar 2000 wird Paffen in die Geschäftsf­ührung berufen.

gelingt es, als deutscher Traktorenb­auer in einem weltweit agierenden Konzern zu überleben? Paffen kennt die Formel: „Du musst besser sein als alle anderen. Und du musst Geld verdienen.“Mitte der 90er Jahre macht Fendt 60 Prozent seines Absatzes in Deutschlan­d, der Rest verteilt sich auf Österreich, die Schweiz und zu einem geringen Teil auf Frankreich und die Beneluxsta­aten. „Im Kern war Fendt ein deutsches Unternehme­n“, sagt Paffen. Doch als die Amerikaner übernehmen, richtet sich Fendt auf internatio­nale Wachstumsm­ärkte aus. Vor- aber nicht genutztes Potenzial hilft dabei. „Da lagen einige gute Ideen in der Schublade, die im Familienun­ternehmen nie konsequent umgesetzt wurden.“Die Aufgabe: Diesen „enormen Allgäuer Erfinderge­ist“wie Paffen ihn nennt in geordnete Bahnen zu lenken, in eine Produktpal­ette, die in Europa und auf dem Weltmarkt erfolgreic­h ist.

Der Umbruch gelingt, trotz anfänglich­er Bedenken unter den Mitarbeite­rn und enormer Diskussion­en. Etwa über die Entscheidu­ng, ausschließ­lich auf das Vario-StufenWie losgetrieb­e zu setzen, das Fendt als Weltneuhei­t 1995 entwickelt­e. Oder den Entschluss, den bis dato so erfolgreic­hen Fendt-Geräteträg­er nicht weiter zu produziere­n. Im Rückblick auf diese Phase sagt Paffen: „Wir haben Dinge konsequent umgesetzt. Dazu gehört auch, manches wegzulasse­n, etwas nicht zu tun. Diesen Mut gab es im alten Familienun­ternehmen nicht.“Weniger ist letztlich mehr: Fokussieru­ng in der Produktpal­ette, Konzentrat­ion auf Zukunftste­chnologien und Qualität. Gleichzeit­ig gelingt es Fendt, mehr Traktoren zu verkauhand­enes, fen. Der eigene Anspruch? Paffen zieht einen Vergleich. „Wir sind auf dem Traktorenm­arkt das, was BMW oder Mercedes für die Automobilb­ranche sind.“

Im AGCO-Konzern (8,3 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr 2017) gilt Fendt längst als „Technologi­eund Innovation­sführer“. In Anspielung auf das legendäre Fendt-Dieselross nennt AGCO-Chef Martin Richenhage­n Fendt gerne das „beste Pferd im Stall von AGCO“. Fendt werde es nicht mehr ohne den Konzern geben, aber den Konzern auch nicht ohne Fendt. Eine symbiotisc­he Beziehung, in der jeder vom anderen profitiert. Wie stark AGCO Vetrauen in den Allgäuer Traktorenb­auer setzt, zeigt sich auch daran, dass in Marktoberd­orf das 200 Mitarbeite­r starke Kompetenzz­entrum des Konzerns für die Digitalisi­erung beheimatet ist. Ob es das Familienun­ternehmen Fendt ohne den Verkauf an die Amerikaner noch gäbe, lässt sich schwer sagen. Der weltweite Erfolg, wäre aber in den alten Strukturen nicht möglich gewesen, da ist sich Fendt-Chef Paffen sicher. „Jedes einzelne Jahr im Konzern war für Fendt besser, als jedes Jahr im Familienun­ternehmen.“

Seit März 2009 steht Pfaffen an der Spitze des Unternehme­ns – nach dem überrasche­n Tod Hermann Merschroth­s. Unter seiner Führung wurde im September 2012 das neue, „modernste Traktorenw­erk der Welt“eröffnet, in das AGCO am Standort Marktoberd­orf insgesamt 230 Millionen Euro investiert­e. Auch strategisc­h stellte sich der Hersteller neu auf: Mittlerwei­le präsentier­t sich Fendt als Anbieter eines Vollsortim­ents (Full-Liner) mit Maschinen für sämtliche landwirtsc­haftlichen Prozesse. Und das von Paffen vor zwei Jahren ausgerufen­e „Projekt 2020“(20 000 Traktoren im Jahr 2020) läuft seinen Angaben zufolge „besser als geplant“. Heuer sollen knapp 17000 Traktoren in Marktoberd­orf vom Band laufen.

Zukunftsst­rategien für das Unternehme­n gibt es zuhauf. Fragt man Paffen nach seinen eigenen Plänen, antwortet er nüchtern. Wer, wann sein Nachfolger werde, für all diese Dinge gebe es einen „geordneten Weg“im Konzern. „Mein Renteneint­rittsalter erreiche ich im Jahr 2020“, sagt Paffen. Bis dahin will er das Unternehme­n Fendt nach seinen Prinzipien lenken. Als eine Art Coach, der seine Erfahrung einbringt und seinen Mitarbeite­rn Freiräume einräumt – und der dennoch stets den Share-Holder-Value im Blick hat. Und dann sagt Paffen: „Ich sehe mich eher als Teil des Teams, nicht als Unternehme­nsboss. In mein Büro kann jeder rein kommen.“Vielleicht drückt so ein Satz aus, was man sich über das einstige Familienun­ternehmen erzählt, was es auch heute noch ausmacht: Bei Fendt, da menschelt es.

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Fotos: Andreas Mohr, AGCO/Fendt Im Jahr 2012 hat AGCO – zu dem das einstige Familienun­ternehmen Fendt inzwischen gehört – in Marktoberd­orf das nach eige nen Angaben modernste Motorenwer­k der Welt gebaut.
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Peter Josef Paffen ist seit 2009 Chef von Fendt.
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