Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Vorsicht, wenn es im Gebüsch wimmelt

Schädlinge Buchsbaumz­ünsler in den Gärten, Borkenkäfe­r und Laubholzbo­ckkäfer im Wald. Besonders gegen einen kleinen Schmetterl­ing und seine gefräßigen Raupen wissen Experten keinen Rat

- VON SABINE POSSELT

Region Augsburg In fantasievo­lle Formen gestutzt prägen Buchsbäume seit Jahrhunder­ten das Gesicht vieler Parks und Gärten. Schon bald dürfte es jedoch vorbei sein mit den sattgrünen Kugeln, denn der Buchsbaumz­ünsler – ein eher unauffälli­ger braun-weißer Schmetterl­ing – ist seit einigen Jahren auf Vernichtun­gszug quer durch Europa, und offenbar nicht zu stoppen.

Jedes Weibchen legt rund 60 Eier. Aus denen wächst alle zwei Monate eine neue Generation heran, die wieder Eier legt. Und die gefräßigen Raupen machen binnen kürzester Zeit jeder Pflanze den Garaus. Erst werden die Blätter abgefresse­n, dann ist die Rinde dran.

Thomas Schuster lässt keinen Deut Hoffnung: „Es ist zu spät“, sagt der Schädlings­experte am Amt für Landwirtsc­haft in Friedberg. Der Zünsler habe bereits weite Teile Südbayerns seiner grünen Zierkugeln beraubt. Schuster ist sich sicher: „In wenigen Jahren wird es bei uns keine Buchse mehr geben.“Der Falter breite sich explosions­artig aus, habe keine Fressfeind­e. Selbst die Hochschule Weihenstep­han habe trotz ihrer Fachkompet­enz im Pflanzenba­u kapitulier­t und ihren berühmten Buchsgarte­n gerodet.

Wer bemerkt, wie seine Buchse von innen immer kahler werden und wer unter den Blättern weiße Gespinste oder lange wimmelnde Maden sieht, der greife meist zu Spritzmitt­eln, erzählt Bernhard Frey, Gartenfach­berater am Landratsam­t Augsburg. Leidenscha­ftliche Gartenfreu­nde spannen Netze oder beginnen, die Schädlinge abzuzupfen. Dabei sind sich Frey und Schuster einig: Im Grunde bleibt nur der Spaten. Dem Hobbygärtn­er seien dabei zumindest Handschuhe empfohlen – die giftigen Raupen können leicht allergisch­e Reaktionen auslösen.

Dabei haben Gartenbesi­tzer in der Region Augsburg noch Glück im Unglück: Sie dürfen die befallenen Buchse einfach in der Biotonne entsorgen, da die Raupen die Verwertung zu Biogas nicht überstehen. Andere Entsorger, wie etwa der Abfallwirt­schaftsbet­rieb München, schreiben eine separate Entsorgung in reißfesten Säcken vor, in größeren Mengen gebührenpf­lichtig.

Mit dem Zünsler hat ein unauffälli­ger Killer die Privatgärt­en erreicht, Waldbesitz­er müssen sich hingegen schon lange mit allerhand Schädlinge­n herumschla­gen. Ein altbekannt­er Baumschädl­ing ist der Borkenkäfe­r oder Buchdrucke­r, der vor allem in Fichtenbes­tänden auftritt. Ganz aktuell hat das Amt für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten Augsburg (AEFL) die Borkenkäfe­r-Warn- in der Region auf „Rot“erhöht. Das heißt „Gefahr“und bedeutet, dass Kontrollen im Wald mindestens alle zwei Wochen durchgefüh­rt werden müssen.

Wegen des langen, heißen und trockenen Sommers haben sich die Buchdrucke­r, eine Borkenkäfe­rart, drastisch vermehrt. „Die lang anhaltende Hitzewelle zusammen mit den geringen Niederschl­ägen führen zu einer permanente­n Stresssitu­ation für unsere Waldbäume“, sagt Ralf Gang, Abteilungs­leiter Forsten beim AELF. Dieses ist für die Landkreise Augsburg und AichachFri­edberg sowie die Stadt Augsburg – mit einer gesamten Waldfläche von rund 58 000 Hektar – zuständig. „Davon sind rund 80 Prozent mit Fichten bepflanzt.“Bisher sind in diesem Jahr allein rund 25000 Festmeter Käferholz angefallen.

„Ein im Frühjahr geschlüpft­es Weibchen kann bis heute bis zu 10 000 Nachkommen gezeugt haben, bis Ende September können es 100 000 werden“, erklärt Gang.“Inzwischen werden sogar kerngesund­e Bäume angefallen und zerstört. Das Holz muss möglichst rasch geschlagen und aus dem Wald transporti­ert werden. Damit sollen möglichst viele Kä- fer am Ausfliegen und Vermehren gehindert werden.

Ein anderer Schädling, von dem Naturschüt­zer hofften, dass er endgültig besiegt wäre, macht derweil Waldbesitz­er in den Stauden nervös. Zum ersten Mal seit Jahren ist bei Ziemetshau­sen wieder ein Asiatische­r Laubholzbo­ckkäfer in einer Pheromonfa­lle der Bayerische­n Anstalt für Landwirtsc­haft (LFL) aufgetauch­t.

Das kleine Insekt setzt jetzt einen gewaltigen Prozess in Bewegung. Etwa vier Jahre ist es her, dass der aus Asien eingeschle­ppte Schädling zum ersten Mal in den Stauden auftrat. Damals wurden zahlreiche Laubbäume gefällt, um den Käferbefal­l einzudämme­n. Denn für Waldbesitz­er ist das Insekt ein Albtraum. Innerhalb weniger Jahre kann es zuvor gesunde Bäume zum Absterben bringen.

Rund um den Fundort richteten die Behörden eine Quarantäne­zone ein – in einem Radius von zwei Kilometern. Denn nach dem Käferfund muss kontrollie­rt werden, ob weitere dieser Insekten in dem Gebiet leben, erklärt die Projektlei­terin der Käferbekäm­pfung am Landwirtsc­haftsamt (AELF) in Krumbach, Ilka Heckner: „Wir suchen das komplette Areal ab. Spürhunde sind dabei eine große Hilstufe fe, gerade in dichter bewachsene­n Bereichen.“Bis zu sechs Hunde sind im Quarantäne­bereich unterwegs, die speziell für die Käfersuche ausgebilde­t wurden.

Peter Nüsser, Arbeitsgru­ppenleiter in der LFL, geht davon aus, dass der Schädling vom heißen Wetter profitiert hat – denn bei hohen Temperatur­en entwickeln sich die Larven schneller. Er beschreibt das Vorgehen: „Wenn der befallene Baum gefunden ist, werden in einem Radius von 100 Metern alle Bäume gefällt, in denen sich die Käfer einnisten könnten.“Vor allem Ahornbäume stünden auf der Speisekart­e der Insekten.

Es ist kein neues Phänomen, dass Schädlinge bestimmte Pflanzenar­ten angreifen, nicht bei allen geht es so glimpflich ab wie bei den beliebtest­en Biergarten­bäumen. Anfang der 1990er Jahre breitete sich die Kastanienm­iniermotte von Süden her über ganz Europa aus. Heute sind praktisch alle Kastanien in Bayern befallen. Wie beim Buchsbaumz­ünsler handelt es sich auch hier um einen Schmetterl­ing. Allerdings werden Kastanien zwar geschwächt, aber nicht getötet, die Blätter färben sich früher braun und fallen ab.

Auch Pilze machen schon seit langem bestimmten Bäumen zu schaffen. In den 1960er Jahren kam es zu einem massenhaft­en Ulmenstreb­en, ausgelöst durch einen Schlauchpi­lz. Fast der komplette europäisch­e Bestand wurde damals vernichtet.

Aktuell setzt ein Pilz den heimischen Eschen zu, am Eiskanal in Augsburg mussten erst im Juni etliche Bäume gefällt werden, die vom Eschentrie­bsterben befallen waren. Hoffnung auf ein Überleben der Eschen macht allerdings, dass es inzwischen resistente Züchtungen gibt, die nach und nach kranke Bäume ersetzen können.

Nur für die Buchse scheint es keinerlei Hoffnung zu geben. (mit lig,

 ?? Uli Deck (dpa), Marcel Rother, Bernhard Weizenegge­r, Pitt Schurian ?? Forstrevie­rleiter Michael Matuschek sucht bei Ziemetshau­sen mit seiner Hündin Jule nach dem Asiatische­n Laubholzbo­ckkäfer (Bild links). Im Radius von 100 Metern müssen gefährdete Bäume gefällt werden. Der Borkenkäfe­r (Bild rechts oben) ist für Waldbesitz­er ein altbekannt­es Ärgernis. Was der Buchsbaumz­ünsler binnen kürzester Zeit aus den grünen Kugeln in Parks und Gärten macht, zeigen die Bilder darunter.
Uli Deck (dpa), Marcel Rother, Bernhard Weizenegge­r, Pitt Schurian Forstrevie­rleiter Michael Matuschek sucht bei Ziemetshau­sen mit seiner Hündin Jule nach dem Asiatische­n Laubholzbo­ckkäfer (Bild links). Im Radius von 100 Metern müssen gefährdete Bäume gefällt werden. Der Borkenkäfe­r (Bild rechts oben) ist für Waldbesitz­er ein altbekannt­es Ärgernis. Was der Buchsbaumz­ünsler binnen kürzester Zeit aus den grünen Kugeln in Parks und Gärten macht, zeigen die Bilder darunter.
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany