Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Durchsuchung des „Open Lab“war rechtswidrig
Justiz Vor dem AfD-Bundesparteitag durchforsteten Ermittler Räume von Unbeteiligten, um an Hinweise zum „Krawallreiseführer“zu kommen. Das war falsch, befand nun ein Gericht. Was das für die Betroffenen bedeutet
Am 20. Juni rückten deutschlandweit Polizisten aus, um Wohnungen von Netzaktivisten zu durchsuchen und Datenträger zu beschlagnahmen. Die Ermittler erhofften sich, Hinweise zu den Erstellern einer Internetpublikation zu bekommen, die vor dem AfD-Bundesparteitag für Aufregung gesorgt hatte: „Augsburg für Krawalltouristen“nennt sich das Werk, in dem anonym zu Straftaten aufgerufen wird.
Die Verbindung der Netzaktivisten zu der Internetseite war dünn: Die Ersteller der Internetseite nutzen eine E-Mail-Adresse des Anbieters „riseup“, der keine Nutzerdaten erfasst. Wer den E-Mail-Anbieter unterstützen will, kann über ein Konto des Vereins „Zwiebelfreunde“dafür spenden, der Projekte zur sicheren und vertraulichen Kommunikation im Internet unterstützt.
Als Tatverdächtige werden die betroffenen Zwiebelfreunde-Mitglieder in dem Ermittlungsverfahren nicht geführt, sondern als Zeugen. Die Aktion der Ermittlungsbehörden sorgte für massive Kritik, nicht nur in der IT-Szene. In Augsburg wurden die Wohnräume des Vereinsvorstandes Moritz Bartl durchforstet, zudem nahmen sich die Beamten des Staatsschutzes die IT- und Tüftlerwerkstatt „Open Lab“vor, da der von der Generalstaatsanwaltschaft München erwirkte und vom Amtsgericht München erlassene Beschluss auch den Arbeitsplatz Bartls umfasste, der im Open Lab aktiv ist. Mit dem Betrieb des E-Mail-Angebotes „riseup“, sagte Bartl unserer Zeitung, habe man nichts zu tun, mit den „Krawalltouristen“sowieso nicht. Er sei vor der Durchsuchung nicht einmal auf der Seite gewesen. Bartl war, wie andere Betroffene, juristisch gegen die Polizeiaktion vorgegangen.
Mit Erfolg. Das Landgericht München 1 hat nun die Durchsuchungsund Beschlagnahmungsbeschlüsse in dem Fall für rechtswidrig erklärt. „Die Maßnahmen“, heißt es in der Begründung, „können nicht mehr als von der Strafprozessordnung gedeckt angesehen werden.“Zwar führten die Ermittlungsbehörden zu Recht Verfahren gegen die Verantwortlichen des „Krawallreiseführers“, die Annahme, dass sich auf den beschlagnahm- ten Datenträgern Beweismittel finden ließen, sei aber nicht gerechtfertigt. „Es besteht keine ausreichende Wahrscheinlichkeit für das Auffinden relevanter Daten“, heißt es in der Entscheidung des Gerichtes. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte, dass die Betroffenen, deren Verein Zwiebelfreunde oder die Gruppierung auch nur zum Umfeld der unbekannten Täter gehören. Und es sei auch nicht „unmittelbar ersichtlich, dass sich bei ihnen Informationen zum Täterumfeld oder zu den Tätern finden lassen“.
Man könne nicht die „Zwiebelfreunde“mit dem E-Mail-Anbieter gleichsetzen, wo der Verein doch nur Spenden dafür sammele. Einziger Verbindungspunkt sei der Umstand, dass die unbekannten Täter beim Anbieter ein E-Mail-Konto eingerichtet hatten. „riseup“biete allerdings anonymisierte Internetdienste an, auch die Einrichtung des Kontos könne anonym erfolgen. Es bestehe daher nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit, über den Anbieter Informationen zu den unbekannten Verfassern zu bekommen.
Die betroffenen Netzaktivisten haben möglicherweise Entschädigungsansprüche. Sie bekommen ihre beschlagnahmten Gegenstände zurück. Diese würden nun herausgegeben, teilt die Generalstaatsanwaltschaft auf Anfrage mit, bei der das Ermittlungsverfahren angesiedelt ist. Bereits zuvor hatte die Generalstaatsanwaltschaft angeordnet, dass die Datenträger bis zur rechtlichen Klärung nicht ausgewertet werden dürfen. Inhaltlich äußern möchte sich Behörde zu der Entscheidung des Landgerichtes nicht.