Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie falsche Polizisten Senioren hereinlege­n

Kriminalit­ät Immer wieder werden Menschen in der Stadt von Betrügern angerufen, die sich als Polizeibea­mte ausgeben. Erst kürzlich wurde eine Frau so um viel Geld gebracht. Doch auch andere Betrugsmas­chen machen Sorgen

- VON JAN KANDZORA

Die Frau, die anruft, sagt, sie heiße „Bach“mit Nachnamen. Manchmal behauptet Frau Bach, sie arbeite bei der Kriminalpo­lizei, manchmal im Streifendi­enst. Es gibt auch einen „Herrn Bach“, der sich ab und an telefonisc­h bei Senioren meldet, und einen „Herrn Münch“. Genauer: Holger Münch, das ist der Name des Chefs des Bundeskrim­inalamtes.

Wenn Frau Bach, Herr Bach, Herr Münch oder andere angebliche Polizisten am Telefon sind, klingt die Lage dramatisch. Eine Geschichte geht zum Beispiel so: Osteuropäi­sche Einbrecher seien in Wohnungsnä­he festgenomm­en worden, und wie es der Zufall wolle, hätten die Ermittler handschrif­tliche Notizen mit dem Namen der Angerufene­n am Tatort gefunden. Das Bargeld, der Schmuck der Angerufene­n: Alles sei in Gefahr. Außer, es werde der Polizei übergeben. Ein Beamter komme vorbei und bringe die Sachen in Sicherheit.

Diese Anrufer, die sich bei Senioren melden, sind keine echten Polizisten, sondern Betrüger. Kriminelle, die sich lediglich als Ermittler und dabei perfide vorgehen, um an das Geld ihrer Opfer zu kommen. Teils verwenden die Täter als Legende die Namen echter Beamter örtlicher Reviere; das Telefon der Opfer zeigt auch Nummern wie „0821/110“oder sogar die tatsächlic­he Durchwahl einer Polizeiins­pektion an. Das täuscht; die Täter sitzen woanders, sie erwecken lediglich mithilfe eines Computerpr­ogramms den Eindruck, von einem Polizei-Telefon aus anzurufen.

Erst vor ein paar Wochen gab es wieder eine Welle solcher Anrufe in der Stadt. Eine Vielzahl von Senioren in Augsburg sowie im benachbart­en Friedberg wurde an einem Tag von falschen Polizeibea­mten kontaktier­t. Die Täter setzten unter anderem eine 81-Jährige aus Augsburg über Stunden unter Druck und schüchtert­en die Seniorin derart ein, dass die Frau mehrere tausend Euro sowie Schmuck an einen unbekannte­n Geldabhole­r aushändigt­e. Kein Einzelfall. Manchmal überreiche­n die Opfer den Kriminelle­n fast ihr ganzes Vermögen.

Im vergangene­n Jahr entstand durch Betrug von „falschen Bedienstet­en“im Freistaat ein Schaden elf Millionen Euro, wie das Landeskrim­inalamt mitteilt. Im Jahr zuvor waren es lediglich 3,5 Millionen Euro gewesen. In der Region erbeuteten die falschen Beamten 2017 rund eine halbe Million Euro. Abgeflaut sei das Phänomen seither nicht, sagt ein Augsburger Ermittler, im Gegenteil. Auch andere Betrugsmas­chen, etwa der Enkeltrick, würden aktuell oft versucht. Alleine am Donnerstag dieser Woche, sagt Polizeispr­echer Siegfried Hartmann, gab es 21 Enkeltrick­versuche in der Region. Von einem „signifikan­ten Anstieg“des altbekannt­en Phänomens in 2018 spricht auch das LKA.

Spiegel Online berichtete zuletzt, eine Analyse des LKA NordrheinW­estfalen habe ergeben, dass im Fall der falschen Polizisten in Deutschlan­d eine Tätergrupp­ierung eine Großfamili­e sei, die vor allem in Bremen, Berlin und NordrheinW­estfalen ansässig ist. Mitglieder von Familiencl­ans mit Wurzeln im Libanon fallen in diesen Bundesländ­ern oft durch kriminelle Handlungen auf. Auch bei zuletzt in Augsburg verhandelt­en Prozessen spielte der Name einer solchen Familie eine Rolle. Ein 25-Jähriger aus Nordausgeb­en rhein-Westfalen, der bei der Masche als Geldabhole­r fungieren sollte, sagte aus, hinter dem Betrug stecke wohl ein solcher Clan. Drei weitere Männer, die im April vor dem Amtsgerich­t wegen ähnlicher Vorwürfe verurteilt wurden, kamen ebenfalls aus dem Ruhrgebiet und tragen die Namen zweier dort sehr bekannter libanesisc­her Großfamili­en. Im Prozess hatten sie den Vorwürfen widersproc­hen. Nach dem Urteil gingen sie in Berufung; im September wird der Prozess vor dem Landgerich­t neu aufgerollt.

Ein Augsburger Ermittler sagt, man habe Erkenntnis­se, dass viele der Täter im Falle der falschen Polizisten in Deutschlan­d straffälli­g geworden seien und sich in die Türkei abgesetzt hätten. Dort sollen auch die meisten Büros ihren Sitz haben, von denen die Anrufer aus operieren. In Izmir etwa, aber auch in Antalya und Ankara. Bei der Augsburger Polizei bearbeitet eine Ermittlung­sgruppe der Dienststel­le für Organisier­te Kriminalit­ät die Fälle falscher Polizisten zentral. Die Erzählunge­n der Täter am Telefon variierten, sagt ein Beamter, der nicht genannt werden will, aus Sorvon ge, dass die Kriminelle­n sonst seinen Namen verwenden könnten. Mal heiße es, Geld müsse in Sicherheit gebracht werden, mal gehe es darum, zu überprüfen, ob es sich beim Vermögen der Senioren um Falschgeld handelt. Bei anderen Betrugsmas­chen beobachtet die Polizei, dass Opfer immer öfter dazu gebracht werden, Ausweise oder andere persönlich­e Dokumente zu kopieren und an die Täter zu verschicke­n – die damit möglicherw­eise Konten für kriminelle Geschäfte eröffnen. Er gehe davon aus, dass künftig auch die falschen Polizisten so agierten, sagt der Ermittler.

Die Polizei rät Betroffene­n, sich beim Notruf 110 oder dem nächsten Polizeirev­ier rückzuvers­ichern. Auch sollte man am Telefon nicht über persönlich­e oder finanziell­e Verhältnis­se Auskunft erteilen. Spätestens, wenn es seitens des Anrufers zu Bargeldfor­derungen kommt, sollte man misstrauis­ch werden – die richtige Polizei tut dies nicht. Wer auf seinem Telefon bei einem Anruf die „110“sieht, kann sich sicher sein, dass es sich nicht um die echte Polizei handelt. Sie ruft niemanden von dieser Notrufnumm­er aus an.

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