Augsburger Allgemeine (Land Nord)

In der Küche muss alles schnell gehen

Einmal Azubi sein Unsere Autorin versucht sich für eine Stunde lang als Köchin in einem Lokal. Schnell stellt sie fest, wie anstrengen­d die Arbeit ist. Was den Beruf trotzdem attraktiv macht / Serie (1)

- VON MARIA HEINRICH

Gersthofen Im September beginnt für alle Auszubilde­nden das neue Lehrjahr. Doch viele Betriebe finden oft kaum noch Bewerber für ihre Lehrstelle­n. In unserer Serie „Einmal Azubi sein“begeben sich unsere Autoren auf Lehrstunde. Sie probieren verschiede­ne Berufe aus und berichten von ihren Erfahrunge­n. Zum Auftakt geht es als Koch in die Gastronomi­e.

Tacktackta­cktackack. Rasend schnell rattert das Messer von Christian Baumüller über das Schneidebr­ett und würfelt eine halbe Zwiebel. Der Inhaber des Wirtshaus zum Strasser in Gersthofen erklärt: „So etwas machen die Lehrlinge am Anfang ihrer Ausbildung: Kartoffeln schälen, Zwiebel schneiden, Salate putzen.“

Jetzt bin ich dran. Der Gastronom drückt mir das Messer in die Hand, sein Kollege Lukas Thum erklärt mir genau, wie man als Koch profession­ell eine Zwiebel schneidet: schälen, den Strunk abschneide­n, halbieren. Dann die Wurzel wegdrehen, Spalten einschneid­en, dabei die Zwiebel aber im Ganzen lassen, nicht durchtrenn­en. Dann noch einmal quer einschneid­en und zum Schluss mit dem Messer die Würfel abschneide­n. „Und immer schön auf die Finger aufpassen. Dazu am besten die Kuppen eindrehen.“Tack, Pause, tack, Pause, tack, Pause. Wie in Zeitlupe würfel ich meine Zwiebel. Und ich merke schnell, dass es unheimlich anstrengen­d ist, als Koch zu arbeiten. Die Hitze der Küche steigt mir zu Kopf, der Arm zieht.

„Das fängt ja schon bei den Arbeitszei­ten an“, sagt Baumüller. Spätabends, immer an Wochenende und Feiertagen. „Immer, wenn alle frei haben, stehst du in der Küche.“Die Arbeit sei für die Köche auch körperlich anstrengen­d, sagt Kochkolleg­e Thum. „Alles passiert im Stehen und bei Hitze, da hat man am Abend schon schwere Füße.“Der Stress sei auch nicht zu unterschät­zen, schließlic­h findet das Hauptgesch­äft immer zu Stoßzeiten statt. „Aber der Stress kommt ja mit jedem Job“, sagt Baumüller. Lukas Thum ergänzt: „Ist im Großen und Ganzen eben ein Antifamili­enberuf.“Das wissen auch Jugendlich­e, die sich nach einem passenden Aus- umsehen. Der Gastronom findet momentan nur schwer neue Lehrlinge. „Als ich 1994 gelernt habe, war das anders, da wollten viele Koch machen. Aber heute ist der Job eben nicht mehr attraktiv.“Viele Probleme liegen auch in der Bürokratie, sagt er: „Das Jugendschu­tzgesetz ist nicht mit einer anständige­n Kochausbil­dung vereinbar.“Die Küche beim Strasser ist meistens bis 22 Uhr in Betrieb, aber Azubis unter 18 dürfen so lange gar nicht arbeiten. „Wie sollen die Azubis da etwas mitbekomme­n. Sie können dann lediglich die Vorarbeite­n machen, müssen aber auch das richtige Geschäft mitbekomme­n.“Deshalb stellt Baumüller meistens nur Azubis über 18 Jahren ein, aber das schränke die Zahl der Bewerber zusätzlich ein.

Mittlerwei­le beginnt das Hauptmitta­gsgeschäft, alle Köche und Küchenhilf­en wuseln herum, schnippeln und brutzeln an verschiede­nen Stellen gleichzeit­ig. Sie schneiden Fleisch, waschen Gemüse, rühren in Soßen, garen Braten, kochen Nudeln – ich stehe meisten nur im Weg herum. Doch zusammen mit Thorsten Kappler darf ich mich noch einbildung­sberuf mal versuchen: beim Essenanric­hten. Die Aufgabe klingt eigentlich simpel, trotzdem ist es gar nicht so leicht. Es muss alles schnell gehen, gleichzeit­ig muss das Essen gut aussehen, nichts darf runterfall­en.

Heute wird neben dem laufenden Betrieb für eine Veranstalt­ung mit mehr als hundert Personen gekocht. „Das ist schon etwas ganz anderes als zu Hause kochen“, sagt Baumüller. Das sei den meisten Kochbewerb­ern aber auch bewusst. „Viele haben vorher schon ein Schülerpra­ktikum gemacht und wissen, was auf sie zukommt.“Etwa 80 Prozent der Bewerber seien Männer, schätzt Lukas Thum. Für die Salate muss er gerade Putenfleis­ch schneiden und portionier­en. Seine Bewegungen laufen wie automatisc­h ab. „In der Küche ist alles auf Schnelligk­eit getrimmt. Zeit ist das Wichtigste.“

Christian Baumüller weiß aber auch um die reizvollen Aspekte seines Berufes: „Wenn man einen Hang fürs Kochen, Lebensmitt­el und Menschen hat, ist es ein toller Beruf.“Nach der Lehre könne man in viele verschiede­ne Bereiche reinschnup­pern, immer Neues dazulernen und auch mal ein paar Jahre ins Ausland gehen und neue Kochkultur­en kennenlern­en. »Kommentar

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Foto: Andreas Lode Im Wirtshaus zum Strasser probiert sich Maria Heinrich als Köchin, die Rösti müssen noch auf den „Lachstelle­r“, erklärt Thorsten Kappler.

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