Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Auf zu neuen Ufern
Wer von Schwabmühlhausen entlang der Singold nach Langerringen wandert, muss sich zwischen einer abenteuerlichen und einer gemütlichen Variante entscheiden
Links oder rechts? Ost oder West? Auf zu neuen Ufern oder bequemer Feldweg? Schon kurz nach Start der Tour an der Unteren Mühle in Schwabmühlhausen muss man sich entscheiden, ob man die konventionelle Variante am westlichen Ufer der Singold nimmt oder die östliche, die auf keiner Karte eingezeichnet ist. Schön sind beide Wege: Der eine führt auf bequemen Feldwegen, die man auch mit dem Rad befahren kann, von Schwabmühlhausen nach Langerringen; der andere über Felder, durch hohes Gras und Brennnesseln: Einen Umweg und mehr Zeit sollte man einplanen.
Also Abenteuer – man will ja schließlich was Neues entdecken. Hier begegnet uns auf der Wanderung kein Mensch bis Langerringen, obwohl an einigen Stellen das niedergetrampelte Gras verrät, dass hier schon mal jemand langgegangen ist. Immer mal wieder versperren einem Brennnesseln oder Dornen den Weg direkt am Ufer der Singold entlang, oder der Pfad endet in einer der vielen Schleifen des wunderschönen Flusses, sodass man wieder zurückmuss.
Dafür warten einige Überraschungen auf den Wanderer: Mitten auf einer Wiese steht ein Plastikstuhl – hier hat sich jemand direkt am Singoldufer seinen persönlichen Lieblingsplatz eingerichtet. Und ein paar Meter weiter hat sich offen- ein Landwirt eine Freiluftdusche gebaut. Der Duschkopf ist in einem Kantholz montiert, und es muss nur noch der Wasserschlauch angeschlossen werden. Kurz vor Langerringen tauchen dann ein paar Hütten auf, um die herum Kleingärtner Beete und Pflanzen angelegt haben. Ein idyllischer Platz, an dem man wunderbar entspannen kann.
Nach etwa vier Kilometern erreicht man Langerringen, und es ist vorbei mit der Einsamkeit. Man trifft wieder auf Menschen – zum Beispiel auf Helmut Baumgartner. Der 64-Jährige lebt seit seiner Geburt in Langerringen. „Hier ist es doch schön. Ich wollte nie von hier weg“, sagt er und zeigt auf den schmucken ehemaligen Bauernhof, den er bis 1988 bewirtschaftet hat. Neben seiner Frau leben Kinder und Enkelkinder hier, und der vierjährige Lukas ist der ganze Stolz des Großvaters. Auch der Traktor aus dem Jahr 1956, den Helmut Baumgartner auch nach dem Ende der Landwirtschaft behalten hat. „Damit fahr’ ich unter anderem noch zu Oldtimertreffen“, berichtet er, und Enkel Lukas ergänzt: „Wir sind damit schon an der Singold zum Schlauchbootfahren gewesen.“
Doch der Wanderer muss weiter, und auf dem Weg nach Untermeitingen ist der abenteuerliche Teil der Wanderung vorbei. Der lange gerade Weg führt an Mais- und Stoppelfeldern vorbei, und beim Blick auf die Karte fällt auf, dass man hin und wieder die Grenze des Landkreises überschreitet. Und nicht nur die: Der Landkreis Landsberg gehört zu Oberbayern, und zwischen Obermeitingen und Untermeitingen verläuft die Grenze der Regierungsbezirke. Nur noch ein wenige Hundert Meter langer Grünstreifen trennt die beiden Ortschaften, und an einer Stelle wird gebaut. Wächst hier zusammen, was zusammengehört? Da gehen die Meinungen wohl auseinander.
Als die Wolken dunkler werden, machen wir eine Kaffeepause bei der Bäckerei Immel in Untermeitingen. Die mutiert am Freitagsichtlich und Samstagabend zur Wandelbar, in der es Cocktails und Burger statt Kaffee, Semmeln und Kuchen gibt.
In Untermeitingen ist Schluss mit der dörflichen Idylle. Das Gewerbegebiet hat schon fast städtischen Charakter, und auf dem Weg nach Klosterlechfeld endet der Versuch, einen Weg abseits der Straße zu finden, oft in einer Sackgasse in einem Neubaugebiet. Die zahlreichen Kräne zeugen davon, dass hier fleißig gebaut wird. Viele Menschen schätzen es offenbar, in einer ländlichen Umgebung zu wohnen, aber trotzdem eine gute Auswahl an Geschäften und Restaurants in der Nähe zu haben. An dem beeindruckenden Ensemble des ehemaligen Klosters und der Wallfahrtskirche Maria Hilf in Klosterlechfeld endet unsere Wanderung. Die Kirche des früheren Franziskanerklosters zählt zu den schönsten Rokokokirchen in Schwaben, und ein Blick hinein lohnt. Erst 1993 verließen die letzten Franziskanermönche das Kloster.
Mit dem Auto geht es zurück zum Ausgangspunkt unserer Tour, wo das zweite Fahrzeug steht. Und da wartet noch einmal ein echtes Highlight auf den Wanderer: ein Mittagessen im Restaurant Untere Mühle in Schwabmühlhausen. Seit 1964 ist die ehemalige Kornmühle im Besitz der Familien Biechele, und 1976 wurde sie zu einem Hotel und Restaurant umgebaut, das zu den besten in der Region zählt. Das Fleisch kommt von den schwarzen Angusrindern, die Heike Biechele und ihre Familie seit 2015 selber züchten, und schmeckt köstlich. Doch wer an den Grenzen geht, der darf sich auch mal was gönnen.
„Hier ist es doch schön. Ich wollte nie von hier weg.“ Helmut Baumgartner