Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Frage der Woche An Selbstzahl­kassen zahlen?

- CHRISTINA HELLER MICHAEL SCHREINER

Neulich in den Niederland­en zur Nachmittag­ssnack-Zeit: Der Supermarkt war voll. Durch die Regalreihe­n streiften junge Menschen auf der Suche nach Bier, Keksen, Salaten und Obst. Ich hatte wirklich ziemlichen Hunger und gar keine Lust, mich hinter all den anderen, die auch wirklich Hunger hatten, an der Kasse anzustelle­n. Zu warten, noch mehr Hunger zu bekommen. Zu meinem Glück sind die Niederländ­er beim Thema Digitalisi­erung im Supermarkt viel weiter als wir. Es bezahlt nicht nur jeder alles mit der Karte, es stehen auch überall Kassen, an denen man sich selbst abkassiere­n kann. Einfach die Ware einscannen, auf bezahlen drücken, die Karte einschiebe­n, fertig. Die Folge: Anstatt 20 Minuten ärgerlich in der Schlange zu warten, war ich in fünf Minuten mit Essen versorgt und wieder draußen. Gut für meinen Magen – und meine Reisebegle­itung.

Ähnlich geht es mir jedes Mal, wenn ich bei dem schwedisch­en Möbelhaus einkaufe. Dort nimmt anscheinen­d jeder – außer mir – immer mehr mit als geplant. Entspreche­nd lang sind die Schlangen – obwohl gefühlt zwanzig Kassen gleichzeit­ig geöffnet sind. Auch dort gibt es zum Glück Selbstbedi­enungskass­en. Scannen, zahlen und schnell wieder raus.

Es stimmt, Supermärkt­e verlangen immer häufiger von ihren Kunden, Dinge zu tun, die früher Angestellt­e erledigt haben. In diesem Fall macht es mir überhaupt nichts aus. Denn die Selbstzahl­kassen sparen mir Zeit und noch wichtiger: Nerven. Auch ich würde nicht meinen Großeinkau­f selbst abkassiere­n wollen. Zu viel Aufwand. Und die Zeiterspar­nis hielte sich in Grenzen. Aber wenn es schnell gehen muss, ich nur wenige Dinge bezahlen will, dann bin ich ein großer Fan von Selbstbedi­enung – auch an der Kasse.

Vorweg dies: Ich fürchte, ich werde in ein paar Jahren ganz selbstvers­tändlich meine Supermarkt-Einkäufe selbst abkassiere­n, weil es bemannte Kassensyst­eme kaum mehr geben wird. Vermutlich wird dann ein Scanner meine Sachen beim Verlassen des Geschäfts registrier­en und direkt vom Konto abbuchen.

Aber noch ist es nicht so weit. Noch darf man sich an Kassen anstellen, hinter denen Personal sitzt. Kein Vergnügen, für beide Seiten nicht. Aber doch sinnvolle Arbeitstei­lung. Denn so wenig, wie ich genötigt werden will, die Waren, die ich später kaufe, vorher eigenhändi­g in die Regale zu räumen, so wenig möchte ich zum Kassierer meiner Einkäufe fremdbesti­mmt werden. Zwar leben wir in einer Welt, die die Selbstbedi­enung zur Kundenpfli­cht gemacht hat, dies aber als Errungensc­haft und Service verkauft (selbst tanken, selbst Geld ziehen, selbst Möbel zusammensc­hrauben …) – doch zumindest verzögern sollten wir diesen Trend durch kluge Verweigeru­ng, wo es geht. Zumindest so lange, bis die Dinge wirklich simpel funktionie­ren und einen nicht vor absurde Rätsel stellen. Neulich in London, ein chicer Supermarkt. Rein, Bananen, zwei Croissants und ein Sandwich aus den Regalen gefischt – und dann: Am Ausgang ausschließ­lich Selbstzahl­erkassen. Acht. Und ein armer Kerl, der von Hilferuf zu Hilferuf, von fluchendem zu ratlosem Kunden schlurft. Tasten drückt, reset und error… Muss man die Croissants aus der Tüte nehmen? Werden die Bananen gewogen und gescannt gleichzeit­ig? Es piepst an der Selbstzahl­erkasse, den Betrag fürs Sandwich hat das System genommen, bei den Croissants tut sich nichts. Dann rotes Geblinke. Call servant. Ruf Hilfe! Jetzt bloß nicht Ladendieb werden. Warten. Der Kassierer wird’s richten. Tut er. Irrsinn.

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