Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der protestierende Rechtsanwalt
Porträt Ende 2016 gründete der Frankfurter Daniel Röder gemeinsam mit seiner Frau die Bewegung „Pulse of Europe“. Sein Engagement beeindruckt auch die Kanzlerin
Daniel Röder hat es geschafft. Der Gründer der Bürgerbewegung „Pulse of Europe“bringt seit zwei Jahren regelmäßig Tausende dazu, für Europa auf die Straße zu gehen. Dafür erhielt der Frankfurter jetzt sogar Lob von „Miss Europa“höchstpersönlich: Angela Merkel. Mit ihr traf er sich gestern im Kanzleramt. Röder ermunterte Merkel, mehr positive Energie für Europa zu mobilisieren. So wie er: Tadellos gekleidet mahnt Röder Demonstranten mit Sätzen wie „Europa darf nicht scheitern“oder „Der Frieden steht auf dem Spiel“. Die Bürgerinitiative „Pulse of Europe“bezeichnete der Wirtschaftsanwalt einmal als „Friedensbewegung“. Dabei ist Röder selbst vom Idealismus der Blumenkinder so weit entfernt wie Flower-PowerHippies von amerikanischer Vietnamkriegs-Propaganda.
Das könnte daran liegen, dass Röder kein Kind der 68er ist. Dafür ist der gebürtige Fuldaer schlicht zu spät geboren. Die Studienzeit – die Jahre für Rebellion und Protest – verbrachte Röder weniger auf der Straße, sondern vielmehr in der Bibliothek. „Nein, meine Vita ist ganz sicher nicht die eines politischen Aktivisten“, gab der 43-Jährige in einem Interview zu. Röder studierte Jura in Marburg und Hamburg, promovierte 2002 an der Universität Jena. Sein Spezialgebiet ist das Wirtschaftsrecht. In seiner Frankfurter Kanzlei Greenfort, die er mit Kollegen 2005 gründete, vertritt er weniger die Interessen des kleinen Mannes als die von internationalen Unternehmen. So beriet er jenen chinesischen Investor, der 2017 den Flughafen Frankfurt-Hahn kaufte. Auch in seinem Privatleben gibt es kaum etwas, weshalb Röder Grund zum Protest haben könnte: Lange lebte er mit Ehefrau Sabine und den beiden Kindern im Frankfurter Westend. Einem Viertel am Fuße der Bankentürme, in dem sich pompöse Gründerzeit-Villen aneinanderreihen. Hier gehen die Menschen in Armani und nicht gegen Armut auf die Straße. Wie kommt ein gut situierter Wirtschaftsanwalt dazu, eine Bürgerbewegung zu gründen? 2016 beendeten zwei weltpolitische Vorfälle Röders Schweigen: der Brexit und die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten. In einem Interview begründet Röder seinen Entschluss, „Pulse of Europe“ins Leben zu rufen, so: „Ich empfand diese beiden Ereignisse so einschneidend, dass wir gesagt haben, wir müssen etwas tun.“Wir, das sind er und seine Frau Sabine. Während viele Menschen mit Schockstarre reagierten, griffen die Röders in Business-Manier zu ihren Laptops und verschickten Mails.
Was im Dezember als Protestaktion von rund 200 Menschen auf dem Frankfurter Goetheplatz begann, zog bald seine Kreise. Mittlerweile ist „Pulse of Europe“in mehr als 130 Städten in 21 europäischen Ländern aktiv. Jeden ersten Sonntag im Monat treffen sich Demonstranten, um ein Zeichen für Europa zu setzen. So wie gestern. Da trafen sich aber nur zwei Anhänger der europäischen Idee: Daniel Röder und Angela Merkel. Dorina Pascher