Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Von Glyphosat vergiftet?

Justiz Der 70-jährige Franzose Jean-Claude Terlet hat Prostatakr­ebs. Er gibt dem Herbizid die Schuld und klagt. Ein US-Urteil ermutigt ihn

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Celles sur Aisne Jean-Claude Terlet steht in seinem Gewächshau­s in einem französisc­hen Dorf nordöstlic­h von Paris. An den Sträuchern hängen rote Tomaten. Alle sind ohne den Einsatz von Chemikalie­n aufgezogen. „Diese Ochsenherz­tomate ist ganz besonders“, sagt der Landwirt und zeigt auf eine fleischige Frucht. Bio ist die Tomaten-Produktion des 70-Jährigen noch nicht lange: Rund 30 Jahre lang versprühte Terlet den Unkrautver­nichter Roundup, dessen Hauptbesta­ndteil Glyphosat ist. 2015, als die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) das Mittel als „wahrschein­lich krebserreg­end“einstufte, hörte der Vater von drei Kindern schlagarti­g auf.

Nun steht Terlet zwischen seinen Bio-Tomaten und sagt, Monsanto habe ihn vergiftet. Da ist er sicher. Der 70-Jährige hat Prostatakr­ebs und deshalb den US-Hersteller des Herbizids verklagt, der inzwischen zum deutschen Bayer-Konzern gehört. Ermutigt fühlt sich Terlet durch das jüngste Urteil gegen Monsanto. Ein US-Gericht in San Francisco hatte dem Krebskrank­en Dewayne Johnson umgerechne­t rund 250 Millionen Euro zugesproch­en. Der 46-Jährige arbeitete lange als Platzwart an einer Schule und liegt nun mit Lymphdrüse­nkrebs im Sterben. Auch er macht Glyphosat für seine Erkrankung verantwort­lich und sagt, er hätte das Mittel nie eingesetzt, wenn er über das Krebsrisik­o informiert gewesen wäre. Die Geschworen­en sahen es als bestätigt an, dass Monsanto nicht ausreichen­d vor den Risiken gewarnt hatte.

Seit die WHO das Mittel als „wahrschein­lich krebserreg­end“eingestuft hat, wird über den Einsatz des Herbizids diskutiert. Monsanto beteuert, es gebe keine Hinweise darauf, dass Glyphosat Krebs auslöse. Mehrere EU-Studien kamen zu dem gleichen Ergebnis. Vergangene­s Jahr verlängert­en die Mitgliedst­aaten deshalb die Zulassung für das Herbizid bis Ende 2022. Doch die Diskussion reißt nicht ab. Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU) etwa kündigte an, den Einsatz in Deutschlan­d beschränke­n zu wollen. Auch in Frankreich regt sich Widerstand: Die Regierung von Präsident Emmanuel Macron hatte ein Aus für Glyphosat versproche­n, ein nationales Verbot scheiterte aber im Parlament. Dennoch will Macrons Regierung innerhalb von fünf Jahren Alternativ­en suchen.

Glyphosat-Gegner wie Terlet sehen sich bestätigt. Er hat nach der Diagnose Prostatakr­ebs seinen Urin untersuche­n lassen. Das Resultat: „0,25 Milligramm Glyphosat pro Liter Urin, das ist enorm.“Deshalb sei er sicher, dass das Pflanzengi­ft an seiner Krankheit schuld sei. „Von keinem anderen Mittel wurden in dieser Analyse Rückstände gefunden“, sagt er.

Mit seiner Klage ist Terlet nicht alleine: In den USA sind 8000 Klagen wegen Glyphosat anhängig, teilte Bayer unlängst mit. Bereits 2009 hatte Frankreich­s höchstes Gericht Monsanto wegen Etikettens­chwindels zu 15 000 Euro Strafe verurteilt: Das Unternehme­n bewarb Roundup damals noch als „biologisch abbaubar“.

Verglichen mit den 250 Millionen Euro, die Monsanto an Johnson zahlen soll, sind das Peanuts. Zwar steht noch nicht fest, ob die Entschädig­ung wirklich gezahlt werden muss. Bayer hatte gegen das Urteil Berufung eingelegt. In solchen Prozessen schmilzt die Summe oft ein oder das Urteil wird ganz kassiert. Dennoch stürzte die Bayer-Aktie zwischenze­itlich um fast 20 Prozent ab.

Im Fall Terlet soll im September eine von seinem Anwalt in Auftrag gegebene Expertise einen Zusammenha­ng zwischen seinem Krebs und Glyphosat nachweisen. Unabhängig davon hat die Staatsanwa­ltschaft in Lyon die Klage bereits angenommen. Ein Prozess gegen den Chemieries­en könnte teuer werden, das weiß auch Terlet. Trotz seiner mageren Rente und seiner geschwächt­en Gesundheit will der Landwirt nicht aufgeben: „Ich bin hartnäckig, ich ziehe das bis zum Ende durch.“

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Foto: Francois Nascimbeni, afp Jean Claude Terlet hat 30 Jahre lang Glyphosat auf seine Tomaten gesprüht. Nun hat er Krebs und gibt Monsanto die Schuld.

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