Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Bank als Lotto-Laden
Es war in den 80er Jahren. In der Sparkasse meiner Heimatstadt bekamen gute Kunden gelegentlich ein Treuegeschenk. Mal war es ein Teller zum Weltspartag, mal eine Salatschüssel, die wir in Ehren hielten, sodass sie noch heute im Einsatz ist. Anstößig fanden wir die Geschenke nie. Das Sparbuch war damals als Geldanlageinstrument so langweilig wie pumperlgesund. Die Bilanzen der Banken waren es auch. Die kleinen Geschenke festigten die Bindung zur Bank, die lange Jahre hielt, bis sie nach einem Umzug und einer Niedrigzinsphase in die Brüche ging. Kürzlich kamen mir die Teller in gute Erinnerung, als ich aus dem Briefkasten eine Broschüre eines privaten Kreditinstituts fischte, das sonst sehr seriös ist. Finanzprodukte, aber auch die Mittel der Kundenbindung haben sich aber anscheinend merklich weiterentwickelt. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich es gut finde.
„Top-Preis ETFs – Jetzt investieren und gewinnen“, fordert mich das Institut auf. Kaufe ich Aktienfonds (nichts anderes sind ETFs), kann ich an einem Gewinnspiel teilnehmen – für eine Traumreise nach London im Wert von 2500 Euro. Die Reise wird ausführlich beschrieben: Ein Flug für zwei Personen, eine Übernachtung im Fünf-Sterne-Designhotel, eine private Führung durch den Finanzdistrikt. Die Bank macht Druck: „Nur bis 30.09.2018.“Jeder Kauf in der Einmalanlage oder im Sparplan zähle als Los, jeder weitere Kauf erhöht die Gewinnchance. „Wir drücken die Daumen!“Vielen Dank.
Sicher sind Fonds, die auf dem weltweiten Aktienindex MSCI World beruhen, weniger riskant als Einzelaktien. Und sicher ist ein Sparplan in Nullzinszeiten eine anerkannte Strategie, Wertpapiere zu erwerben und Vermögen aufzubauen. Ob es aber richtig ist, wenn sich in einem Werbeprospekt mehr Infos über eine Traumreise finden als über die Fonds? Sollten Banken nach der Finanzkrise über Finanzprodukte nicht besonders sorgsam aufklären? Wenn ich spielen will, gehe ich in einen Lotto-Laden.