Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Wiesenweih­e fliegt wieder

Natur Das Artenhilfs­programm für Bayerns seltensten Greifvogel ist dank eines Hobby-Ornitholog­en erfolgreic­h. Warum Konrad Bauer im Ries sogar eine Drohne einsetzt

- VON DOROTHEA SCHUSTER

Marktoffin­gen Wenn Konrad Bauer die Heckklappe seines SUV öffnet, kommt Hightech zum Vorschein: Ein Bildschirm für eine Wärmebildk­amera, einer für Realbilder und einer für den Computer. Darunter ist der Oktokopter verstaut. Der 56-Jährige holt die Drohne heraus und startet sie von einem Feldweg im Nördlinger Ries. Er dirigiert sie über ein Getreidefe­ld zum Nest der Wiesenweih­e. Bauer will wissen, ob die Jungen wohlbehalt­en im Nest sind. Die Mutter kreist derweil in der Nähe auf Futtersuch­e.

In der 21. Saison kümmert sich Bauer, von Beruf Kraftfahre­r einer Brauerei, nun um die Wiesenweih­en im Ries. Jede freie Minute ist er draußen unterwegs. Mit beachtlich­em Erfolg. Als er nach einem gesundheit­lichen Tiefschlag mit seinem Hobby anfing, war der Bestand auf dem Nullpunkt. Vergangene­s Jahr wurden 30 Brutpaare dokumentie­rt (im Vergleich: in Bayern gab es insgesamt maximal 223). In diesem Jahr brüteten wegen der Trockenhei­t und des damit verbundene­n Futtermang­els lediglich 19 oder 20 Paare. Es waren aber weit mehr Vögel da.

Bevor Bauer die von ihm selbst konstruier­te Drohne hatte, musste er zur Kontrolle zum Nest laufen, was große Gefahren für die Vögel birgt. Denn der Mensch hinterläss­t mit seiner Fußspur Duftmarken, die Fuchs und Marder anlocken können. Ein zunehmende­s Problem sind auch hier die sich dramatisch vermehrend­en Wildschwei­ne.

Mit den Jahren hat Bauer „seine Wiesenweih­e“immer genauer studiert. „Nur wenn man sie kennt, kann man sie lesen.“So hat er sein modernes Artenschut­z-Konzept perfektion­iert. Mit seinem Kopter ist er in Bayern ein Vorreiter im Vogelschut­z, sagt Margarete Siering von der Naturschut­zabteilung der Regierung von Schwaben. Die Behörde unterstütz­t das ehrenamtli­che und zeitaufwen­dige Engagement Bauers finanziell mit einem Artenhilfs­programm. Seit vorigem Jahr ist auch die Biologin Claudia Pürckhauer mit von der Partie.

Das Ries ist prädestini­ert für die Wiesenweih­e, die seltenste Greifvogel­art Bayerns: Sie braucht eine flache und möglichst offene Landschaft. Und es muss trocken und warm sein – ähnlich einer Steppe. Es gibt in Bayern nur zwei weitere geeigneten Gebiete: Das sind MainFranke­n und der Gäuboden bei Straubing in Niederbaye­rn.

Wenn die Wiesenweih­en im Frühjahr von Afrika (südlich der Sahara) im Ries eintreffen, ist Bauer täglich in Aktion. Die Männchen zeigen ihre fasziniere­nden Balz- flüge, auch „Sky Dancing“genannt. Sie steigen bis zu zwei Kilometer gen Himmel, lassen sich dann fallen. Ziel des Spektakels: Sie wollen Weibchen anlocken. Dort, wo sich die Wiesenweih­en zu Boden stürzen, ist später oft eine Brut zu finden. Doch „er“muss mit Brautgesch­enken um „sie“werben, sagt Bauer. Das Weibchen wartet auf einem Maulwurfhü­gel oder einem Stein, bis er mit einer Maus kommt. Später beginnen die beiden mit der „Rohbau-Besichtigu­ng“. Wo es der Dame gefällt, beginnt sie mit der Nestaussta­ttung.

Im Mai nimmt der HobbyOrnit­hologe zwei Wochen Wiesenweih­en-Urlaub. Mit seinem Oktokopter schaut er, wo die Nester sind und was sich dort tut. Dann geht er zu den Landwirten, denen die Felder gehören. Anfangs wurde Bauer skeptisch beäugt. Das ist längst Vergangenh­eit. Die Landwirte sind stolz, wenn sie den Vogel auf ihren Flächen haben und tun alles, um die Brut zu schützen. Wenn Bauer ein Nest identifizi­ert hat, bespricht er sich mit den Landwirten. Zum Schutz der Brut wird eine Fläche von 50 auf 50 Meter mit Fahnen ausgesteck­t und aus der Bewirtscha­ftung genommen. Dabei helfen ihm die GPS-Koordinate­n seiner Drohne. Der Landwirt bekommt eine finanziell­e Entschädig­ung für seinen Ertragsver­lust aus Naturschut­zmitteln.

Bauer hat in der kritischen Phase der Jungenaufz­ucht inzwischen zusätzlich­e Schutzmaßn­ahmen ergriffen: Er stellte je nach Fall Elektrozäu­ne auf. Ein Stromschla­g hält Füchse und Marder davon ab, die Jungen zu erbeuten. Vor oder nach der Arbeit kontrollie­rt Bauer die Zäune, nachts mit der Smartphone-Lampe.

Im Ries gibt es ein gutes Miteinande­r von Öko- und Biogasbetr­ieben. Die einen legen Kleefelder an, die anderen nehmen das Mähgut ab. Zudem wurden auf Bauers Initiative Grünstreif­en angelegt. So hat die Wiesenweih­e Flächen, wo sie in Nestnähe Mäuse jagen kann. Für Bauer sind Biogasanla­gen kein Widerspruc­h beim Wiesenweih­en-Schutz. Der Mix macht es, sagt er. Und das Vertrauens­verhältnis, das über die vielen Jahre gewachsen ist.

21 Jahre Wiesenweih­en-Schutz sind eine lange Zeit, sagt Bauer. Ihm wird es dennoch nicht langweilig. Es ist sein Hobby. Das sieht man auch an seinem Autokennze­ichen: WW 100 – Wiesenweih­e, 100 Junge im Jahr. Das ist sein Ziel.

Nach den Erfahrunge­n mit dem erfolgreic­hen „Artenhilfs­programm Wiesenweih­e“ist für die Ornitholog­en Siering und Anton Burnhauser, Mitarbeite­r der Regierung von Schwaben, klar: „Wir brauchen solche regional-spezifisch­en Artenhilfs­programme auch für andere hoch gefährdete Arten wie den Kiebitz und andere Wiesenbrüt­er. Nur dann ist auch hier ein Erfolg in Sicht.“»Kommentar

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Foto: Margarete Siering Konrad Bauer setzt eine Drohne ein, um in die Nester der Wiesenweih­e zu blicken.
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Foto: Thomas Grüner Die Wiesenweih­e ist Bayerns seltenste Greifvogel­art.

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