Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wenn Senioren auf Reisen gehen
Urlaub Die Gesellschaft wird älter, doch der Wunsch nach Urlauben im fortgeschrittenen Alter bleibt. Ein Augsburger Anbieter hat sich deshalb auf diese Kunden spezialisiert. Aber auch Mitbewerber und die Stadt stellen sich darauf ein
Ursula Dornberger verreist gerne und will sich davon auch im Alter nicht abbringen lassen. So bucht die 70-Jährige regelmäßig Ausflüge ins In- und Ausland – kein Einzelfall: 67 Prozent der über 60-Jährigen reisen. Das ermittelte die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen in ihrer Reiseanalyse 2018. Angst davor, mit einem Urlaub überfordert zu sein, haben diese Menschen nicht. Auch die Augsburgerin Ursula Dornberger sagt: „Ich fühle mich fit genug, alleine neue Orte zu erkunden.“Dennoch genieße sie besonders jene Urlaube, bei denen sie sich um nichts kümmern muss und deren Programm speziell auf die Bedürfnisse ihrer Altersgruppe abgestellt ist.
Den passenden Reisepartner hat Ursula Dornberger beim Augsburger Verein Videlis gefunden. Geschäftsführer Holger Kähler bietet seit 25 Jahren Touren für Senioren und Menschen mit Einschränkungen an. Hier werde nichts dem Zufall überlassen: „Wer mit uns verreist, weiß, dass er seinem Alter und seiner körperlichen Fitness entsprechend betreut wird“, sagt Kähler. Beispielsweise werden Stadtführungen mit entsprechendem Programm gebucht. „Wir bitten dann darum, dass wir beispielsweise bei heißen Temperaturen die Erklärung zu einer Kirche im Inneren bekommen nicht auf dem Platz davor. Oder wir achten darauf, dass bei einer Führung regelmäßige Pausen eingebaut werden“, erklärt er. Weil sich viele Senioren unsicher sind, ob sie in ihrem Alter noch alleine reisen können, hält Kähler die Reisegruppen zudem klein – zwischen acht und zwölf Personen sind zusammen unterwegs – und nimmt ehrenamtliche Betreuer mit, die sich vor und während der Reise um die Gäste kümmern. „Wenn jemand beispielsweise aus Hamburg unsere Flussfahrt von Passau nach Budapest bucht, dann holen wir den Gast, wenn gewünscht, in Hamburg ab und begleiten ihn per Bahn und Bus bis zum Startpunkt in Passau“, so Kähler. Mitarbeiterin Sarah Engelhardt ergänzt: „Dazu haben wir einen rollstuhlgerechten Reisebus und bieten auch einen Rollstuhlfahrservice am Urlaubsort. Auch einen Pflegedienst können wir vor Ort organisieren.“
Wer keine Hilfe braucht, dem wird sie auch nicht aufgedrängt, sagt Ursula Dornberger, um zu verdeutlichen, dass das Angebot von Videlis sich nicht nur an Menschen richtet, die auf Hilfe angewiesen sind. „Ich genieße als Witwe einfach die Gesellschaft der Mitreisenden, die klei- nen Gruppen und die Tatsache, dass die Angebote auf meine Bedürfnisse zugeschnitten sind“, erzählt sie. Von der Anreise über die Unterkunft, Essen und Trinken, die Eintrittsgelder und Auflüge sei alles organisiert. „Sie müssen nur noch mitfahren und genießen“, freut sich die Rentnerin, die im November mit Videlis nach Zypern fliegen will.
Das Angebot von Videlis ist laut Kähler in seiner Umfänglichkeit, das einzige seiner Art in Deutschland. Im Schnitt sind die Reisenden 82 Jahre alt. Aber auch eine Kundin mit 92 verreist regelmäßig mit dem Team. Die Nachfrage nach Seniorenreisen steigt – das hat auch mit dem demografischen Wandel zu tun, sagt Kähler. Aber er trifft mit seinen Reisen auch den Nerv der Senioren. Gruppen- und Busreisen, auch das geht aus der Reiseanalyse 2018 hervor, sind hier nämlich mit die beliebtesten Reisevarianten.
Ganz günstig sind diese speziell zusammengestellten Unternehmungen allerdings nicht. Das gibt auch Holger Kähler zu. Das habe mit dem teils enormen organisatorischen Aufwand zu tun, sagt er und nennt Preise: Die geplante zehntägige Reise nach Zypern wird in der Rubinklasse (ohne Betreuung) um die 2100 Euro pro Person kosten, in der Silberklasse (inklusive Betreuung) etwa mit 2800 Euro zu Buche schlagen. Doch nicht nur bei Videlis merkt man, dass immer mehr Menund schen auch im fortgeschrittenen Alter verreisen möchten. Beim Augsburger Reiseanbieter Hörmann sind die Senioren ein wichtiger Kundenstamm. Etwa 70 Prozent der Gäste sind über 50 Jahre alt, so eine Sprecherin. Das Angebot wird demnach angepasst und die Fahrten beispielsweise von einem Reiseleiter unterstützt. Auch Fluss- oder Hochseekreuzfahrten werden gerne vermittelt, wenn Kunden mehr als nur einen Ort erleben wollen. Der Vorteil: Das Hotel reist einfach mit.
Auch die Regio Augsburg Tourismus spürt, dass Gäste, die die Stadt besuchen, älter werden. Laut Statistik sind 70 Prozent der Besucher über 50 Jahre, 40 Prozent über 60 Jahre alt. Eine Klientel also, die für den Tourismus in der Stadt immer wichtiger wird. Auch weil die Senioren eine gewisse Kaufkraft mitbringen.
Die Regio Tourismus reagiert deshalb auf diesen Trend und plant spezielle Angebote wie eine Tour für Rollstuhlfahrer. Sie bildet aber auch die Mitarbeiter entsprechend aus. „Unsere Stadtführer sind darauf geschult, individuell auf die Gruppen einzugehen. Wenn also viele ältere Menschen dabei sind, dann werden im Sommer schattige und gut begehbare Wege bevorzugt“, sagt Tourismusdirektor Götz Beck. Weil die Gesellschaft älter wird, wird dies ein Thema sein, das die Regio auch in Zukunft intensiv beschäftigen wird.
Großteil der Touristen in Augsburg ist über 60 Jahre