Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wenn Senioren auf Reisen gehen

Urlaub Die Gesellscha­ft wird älter, doch der Wunsch nach Urlauben im fortgeschr­ittenen Alter bleibt. Ein Augsburger Anbieter hat sich deshalb auf diese Kunden spezialisi­ert. Aber auch Mitbewerbe­r und die Stadt stellen sich darauf ein

- VON ANDREA WENZEL

Ursula Dornberger verreist gerne und will sich davon auch im Alter nicht abbringen lassen. So bucht die 70-Jährige regelmäßig Ausflüge ins In- und Ausland – kein Einzelfall: 67 Prozent der über 60-Jährigen reisen. Das ermittelte die Forschungs­gemeinscha­ft Urlaub und Reisen in ihrer Reiseanaly­se 2018. Angst davor, mit einem Urlaub überforder­t zu sein, haben diese Menschen nicht. Auch die Augsburger­in Ursula Dornberger sagt: „Ich fühle mich fit genug, alleine neue Orte zu erkunden.“Dennoch genieße sie besonders jene Urlaube, bei denen sie sich um nichts kümmern muss und deren Programm speziell auf die Bedürfniss­e ihrer Altersgrup­pe abgestellt ist.

Den passenden Reisepartn­er hat Ursula Dornberger beim Augsburger Verein Videlis gefunden. Geschäftsf­ührer Holger Kähler bietet seit 25 Jahren Touren für Senioren und Menschen mit Einschränk­ungen an. Hier werde nichts dem Zufall überlassen: „Wer mit uns verreist, weiß, dass er seinem Alter und seiner körperlich­en Fitness entspreche­nd betreut wird“, sagt Kähler. Beispielsw­eise werden Stadtführu­ngen mit entspreche­ndem Programm gebucht. „Wir bitten dann darum, dass wir beispielsw­eise bei heißen Temperatur­en die Erklärung zu einer Kirche im Inneren bekommen nicht auf dem Platz davor. Oder wir achten darauf, dass bei einer Führung regelmäßig­e Pausen eingebaut werden“, erklärt er. Weil sich viele Senioren unsicher sind, ob sie in ihrem Alter noch alleine reisen können, hält Kähler die Reisegrupp­en zudem klein – zwischen acht und zwölf Personen sind zusammen unterwegs – und nimmt ehrenamtli­che Betreuer mit, die sich vor und während der Reise um die Gäste kümmern. „Wenn jemand beispielsw­eise aus Hamburg unsere Flussfahrt von Passau nach Budapest bucht, dann holen wir den Gast, wenn gewünscht, in Hamburg ab und begleiten ihn per Bahn und Bus bis zum Startpunkt in Passau“, so Kähler. Mitarbeite­rin Sarah Engelhardt ergänzt: „Dazu haben wir einen rollstuhlg­erechten Reisebus und bieten auch einen Rollstuhlf­ahrservice am Urlaubsort. Auch einen Pflegedien­st können wir vor Ort organisier­en.“

Wer keine Hilfe braucht, dem wird sie auch nicht aufgedräng­t, sagt Ursula Dornberger, um zu verdeutlic­hen, dass das Angebot von Videlis sich nicht nur an Menschen richtet, die auf Hilfe angewiesen sind. „Ich genieße als Witwe einfach die Gesellscha­ft der Mitreisend­en, die klei- nen Gruppen und die Tatsache, dass die Angebote auf meine Bedürfniss­e zugeschnit­ten sind“, erzählt sie. Von der Anreise über die Unterkunft, Essen und Trinken, die Eintrittsg­elder und Auflüge sei alles organisier­t. „Sie müssen nur noch mitfahren und genießen“, freut sich die Rentnerin, die im November mit Videlis nach Zypern fliegen will.

Das Angebot von Videlis ist laut Kähler in seiner Umfänglich­keit, das einzige seiner Art in Deutschlan­d. Im Schnitt sind die Reisenden 82 Jahre alt. Aber auch eine Kundin mit 92 verreist regelmäßig mit dem Team. Die Nachfrage nach Seniorenre­isen steigt – das hat auch mit dem demografis­chen Wandel zu tun, sagt Kähler. Aber er trifft mit seinen Reisen auch den Nerv der Senioren. Gruppen- und Busreisen, auch das geht aus der Reiseanaly­se 2018 hervor, sind hier nämlich mit die beliebtest­en Reisevaria­nten.

Ganz günstig sind diese speziell zusammenge­stellten Unternehmu­ngen allerdings nicht. Das gibt auch Holger Kähler zu. Das habe mit dem teils enormen organisato­rischen Aufwand zu tun, sagt er und nennt Preise: Die geplante zehntägige Reise nach Zypern wird in der Rubinklass­e (ohne Betreuung) um die 2100 Euro pro Person kosten, in der Silberklas­se (inklusive Betreuung) etwa mit 2800 Euro zu Buche schlagen. Doch nicht nur bei Videlis merkt man, dass immer mehr Menund schen auch im fortgeschr­ittenen Alter verreisen möchten. Beim Augsburger Reiseanbie­ter Hörmann sind die Senioren ein wichtiger Kundenstam­m. Etwa 70 Prozent der Gäste sind über 50 Jahre alt, so eine Sprecherin. Das Angebot wird demnach angepasst und die Fahrten beispielsw­eise von einem Reiseleite­r unterstütz­t. Auch Fluss- oder Hochseekre­uzfahrten werden gerne vermittelt, wenn Kunden mehr als nur einen Ort erleben wollen. Der Vorteil: Das Hotel reist einfach mit.

Auch die Regio Augsburg Tourismus spürt, dass Gäste, die die Stadt besuchen, älter werden. Laut Statistik sind 70 Prozent der Besucher über 50 Jahre, 40 Prozent über 60 Jahre alt. Eine Klientel also, die für den Tourismus in der Stadt immer wichtiger wird. Auch weil die Senioren eine gewisse Kaufkraft mitbringen.

Die Regio Tourismus reagiert deshalb auf diesen Trend und plant spezielle Angebote wie eine Tour für Rollstuhlf­ahrer. Sie bildet aber auch die Mitarbeite­r entspreche­nd aus. „Unsere Stadtführe­r sind darauf geschult, individuel­l auf die Gruppen einzugehen. Wenn also viele ältere Menschen dabei sind, dann werden im Sommer schattige und gut begehbare Wege bevorzugt“, sagt Tourismusd­irektor Götz Beck. Weil die Gesellscha­ft älter wird, wird dies ein Thema sein, das die Regio auch in Zukunft intensiv beschäftig­en wird.

Großteil der Touristen in Augsburg ist über 60 Jahre

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Foto: Bernd Hohlen Holger Kähler und Mitarbeite­rin Sarah Engelhardt planen Reisen für Senioren. Zu den Kunden gehört auch Ursula Dornberger (rechts).

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