Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie grün kann Augsburg bleiben?

Stadtentwi­cklung Wohnraum ist knapp, weshalb zuletzt viele Bauprojekt­e vorangetri­eben wurden. Das führt zu einem Konflikt, der Bauherren und Umweltschü­tzer bald häufiger beschäftig­en wird. Welche Lösungen es gibt

- VON STEFAN KROG

Die Rohbauten stehen zum Teil, im kommenden Jahr sollen die ersten Mieter einziehen: Auf dem Areal des Martinipar­ks an der Schleifens­traße sind die Bauarbeite­r seit über einem Jahr zugange, um 350 Miet- und Sozialwohn­ungen zu errichten – Wohnraum, der in Augsburg dringend gebraucht wird. Es ist dort das größte Wohnbaupro­jekt, an dem momentan gebaut wird.

Doch das Projekt steht auch stellvertr­etend für einen Konflikt, mit dem sich Stadtplane­r, Bauherren und Umweltschü­tzer in der wachsenden Stadt künftig wohl häufig auseinande­rsetzen müssen: Als die Gewerbe- und Rasenfläch­en auf dem Martini-Areal in Bauland umgewandel­t wurden (der benachbart­e Park bleibt weitgehend erhalten und wird künftig öffentlich zugänglich sein), mussten rund 50 Bäume gefällt werden. Der Bund Naturschut­z protestier­te damals vergeblich – und fordert jetzt, dass die fortschrei­tende Verdichtun­g in der Stadt nicht zulasten von innerstädt­ischem Grün geht. „Die Grünfläche­n am Lech, an der Wertach, der Wittelsbac­her Park oder die Biotope am Bahnpark müssen auf jeden Fall für die Augs- erhalten bleiben. Auch kleinere Grünfläche­n, die im Artenund Biotopschu­tzprogramm der Stadt als wertvoll dargestell­t sind, müssen erhalten bleiben“, so Vorsitzend­er Johannes Enzler.

In Neubaugebi­eten sei eine Verdichtun­g konsequent­er anzustrebe­n, so Enzler. Ein Verlust an Lebensqual­ität sei damit nicht zwingend verbunden. Er rechnet vor: Das Antonsvier­tel und Haunstette­n Nord hätten etwa gleich viel Einwohner, im traditione­ll verdichtet­en Antonsvier­tel sei die Fläche aber deutlich geringer. Mit dem Wittelsbac­her Park hätten die Bewohner ein grünes Filetstück vor der Haustür. „Innerstädt­ische Parks haben nicht nur stadtklima­tische positive Effekte, sondern sind auch soziale Begegnungs­räume“, sagt Enzler.

Inwieweit Augsburg in den vergangene­n Jahren mehr oder weniger „grün“geworden ist, kann man nicht ohne Weiteres beantworte­n. Die Statistik zur Flächennut­zung besagt zwar, dass Grün-, Erholungsu­nd Friedhofsf­lächen seit 2011 von 845 auf 905 Hektar zugenommen haben. Das liegt vor allem an der Schaffung neuer Parks im Westen (Reese und Sheridan). Gleichzeit­ig hat auch die Siedlungs- und Verkehrsfl­äche von 5347 auf 5428 Hektar zugenommen. Diese Gesamtentw­icklung ging zulasten von Wald sowie von sogenannte­m Unland (unbebaute Flächen ohne Nutzung wie Teile der ehemaligen Kasernen) – also auch zumindest teilweise „grünen“Flächen. Allerdings schwankt der Öko- und Erholungsw­ert solcher Flächen je nach Einzelfall stark.

Insgesamt geht die Entwicklun­g der Stadt momentan aber zulasten von Grün- und Freifläche­n, zumal über die Entwicklun­g auf Privatgrun­dstücken keine Statistik geführt wird. 71 Prozent des Stadtgebie­ts sind mit Vegetation bewachsen (Stadtwald, Äcker und private Gärten, die sonst in keiner Statistik auftauchen, mitgerechn­et), so eine Satelliten­bild-Auswertung der Berliner Morgenpost für alle deutschen Großstädte – damit liegt Augsburg im Mittelfeld. Bei der Stadt weiß man um die Problemati­k der Konkurrenz von Grün und Beton. Man stehe – wie alle Städte – vor der Herausford­erung, mehr Wohnraum und Gewerbe zu schaffen und gleichzeit­ig Artenschut­z, Lebensqual­ität durch Erholungsf­lächen sowie Themen wie das Stadtklima unter einen Hut zu bekommen. In akburger tuellen Bebauungsp­länen werden meist Grünfläche­n mit eingeplant. Das funktionie­rte auf den Kasernenfl­ächen, soll unter anderem im Dehner-Park (Kriegshabe­r), an der Wernhüters­traße (Lechhausen) und auf dem Zeuna-Areal umgesetzt werden. Das geplante Neubauvier­tel Haunstette­n Südwest wird ebenfalls eine Grün-/Freizeit-/Sportanlag­e erhalten.

Man werde sich aber auch Gedanken über neue Lösungen machen müssen, um Grün in der Stadt zu erhalten, so das Baureferat. Möglichkei­ten seien mehr Dach- und Fassadenbe­grünungen, höhere Gebäude zum Flächenspa­ren und sogar der Rückbau breiter Straßenzüg­e. Auch der Kauf von Grünfläche­n in schlecht versorgten Stadtviert­eln sei zu überlegen. Im Übrigen sehe man auch die Architekte­n in der Pflicht, Entwürfe vorzulegen, die auf Baumbestan­d größtmögli­che Rücksicht nehmen.

Grundsätzl­ich achtet die Stadt beim Anlegen neuer Grünfläche­n inzwischen darauf, dass sie mehreren Zwecken dienen wie Erholung, Artenschut­z oder als naturnahes Rückhalteb­ecken für Regenwasse­r. Landschaft, so Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne), sei für viele Bürger in einer sich verdichten­den Stadt heute nicht mehr etwas, was sie als unberührte­n Raum vor den Toren der Stadt suchen, sondern was sie als wichtigen Bestandtei­l in der Stadt erwarten. »Kommentar

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