Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Experten: Das brauchen die Kitas wirklich

Kinderbetr­euung Drei Fachleute beim Jugendamt sind überzeugt: Der Freistaat muss mehr Geld in frühkindli­che Bildung investiere­n. Warum Baumaßnahm­en und Personal mehr gefördert werden müssen

- VON MARIA HEINRICH

Landkreis Augsburg Für die Kinderbetr­euung im Augsburger Land soll der Freistaat Bayern mehr Geld ausgeben. Das fordern Hannes Neumeier, der stellvertr­etender Leiter des Amtes für Jugend und Familie im Landratsam­t Augsburg, und seine Kolleginne­n Petra Hetzner und Angelika Steinbrech­er, die Kindertage­sstätten im Landkreis Augsburg beraten.

Welcher Bereich muss gestärkt werden?

Hannes Neumeier: Wichtig für uns ist die Kindertage­sbetreuung von der Krippe bis zum Schuleintr­itt.

Was muss sich dringend ändern? Angelika Steinbrech­er: Die Träger müssen vom Freistaat mehr Geld erhalten, um neues Personal einzustell­en und die Erzieherin­nen und die Leitung zu entlasten. Wir finden, das Budget ist derzeit zu gering angesetzt, um die Ansprüche der frühkindli­chen Bildung angemessen umzusetzen.

Was muss sich noch verbessern? Neumeier: Das Thema Migration spielt bei uns eine wichtige Rolle. Damit sind aber nicht Flüchtling­e gemeint, die machen lediglich gut ein Prozent aus. Es geht um Migration insgesamt, dazu zählt zum Beispiel auch die Binnenwand­erung innerhalb Europas, Einwandere­rfamilien aus Ost- und Südosteuro­pa.

Wir müssen für die Betreuung dieser Kinder eine angepasste finanziell­e Basis schaffen.

Steinbrech­er: In Langweid haben wir zum Beispiel eine Einrichtun­g mit 48 Nationen bei 190 Kindern. Die Anforderun­gen ans Personal steigen gerade hier enorm, wenn man von gelingende­r Integratio­n sprechen möchte, deshalb braucht man einfach mehr Geld.

Petra Hetzner: Die Erzieherin­nen müssen viel mehr auf die Sprachund die Familienku­lturen eingehen. Die Herausford­erungen für die Kolleginne­n sind riesig. Bisher spiegelt die finanziell­e Unterstütz­ung des Freistaats diese Anforderun­gen nicht wider, um den Kindern gerecht zu werden.

Wo hapert es noch?

Neumeier: Der Freistaat muss überdenken, wie er den Bau von Kindertage­sstätten in Zukunft fördern wird. Dies tut er bereits, es muss aber noch mehr passieren. Steinbrech­er: Die alten Förderunge­n stammen noch aus den 70er-Jahren und sind seitdem nicht angepasst worden. Diese Pläne entspreche­n schon lange nicht mehr den pädagogisc­hen Bildungsst­andards von heute. Vom Freistaat finanziert wird derzeit nur ein Mindestmaß an Räumlichke­iten. Wenn die Kommune, der Träger der Einrichtun­g, weitere Räume für die Kinder möchte, muss er dies mit Eigenmitte­ln finanziere­n. Hetzner: Und der Freistaat übernimmt lediglich einen Anteil, keine 100 Prozent.

Neumeier: Es geht dabei nicht nur um die Kinder. Auch die Arbeitsqua­lität für die Erzieherin­nen muss sich verbessern. Sie brauchen zum Beispiel Rückzugsrä­ume fürs Personal, ähnlich wie ein Lehrerzimm­er. Der Arbeitssch­utz wird immer wichtiger.

Außerdem?

Steinbrech­er: Die Kitas müssen besser an die Bedürfniss­e der Kleinen angepasst werden. Es gibt immer einen Gruppen- und einen Schlafraum, aber keinen Bewegungsr­aum wie eine Turnhalle. Das funktionie­rt bei einer Betreuungs­zeit bis zu zehn Stunden aber nicht. Auch ohne Speiseraum geht es nicht mehr. Der Freistaat muss aber auch solche Räume fördern. Dafür setzen wir uns ein.

Wie bringen Sie diese Vorschläge zum Gesetzgebe­r?

Neumeier: Als Landkreis läuft das in der Regel über den bayerische­n Landkreist­ag in gesetzgebe­rische Initiative­n ein. Der ist für uns wie ein Lobbyist.

Wie wird man den Ansprüchen der Kinder gerecht?

Hetzner: Man muss immer die neusten wissenscha­ftlichen Erkenntnis­se zur Entwicklun­gspsycholo­gie und Bindung umsetzen. Wir müssen wissen: Was brauchen diese jüngsten Kinder, wie muss die Beziehung zwischen Eltern, Kindern und Erzieherin­nen sein?

Neumeier: Wir müssen deutlich ran an die Qualität der Betreuung. Wenn Kinder zehn Stunden permanent in der Gruppe sind, ohne Rückzugsmö­glichkeite­n, häufige Wechsel der Bezugspers­onen, ist das für sie ein extremer Stressfakt­or. Berufstäti­ge Eltern müssen damit umgehen können. Dafür braucht es gut ausgebilde­te Fachkräfte.

Gibt es dieses pädagogisc­he Fachperson­al überhaupt?

Steinbrech­er: Nicht mehr ausreichen­d. Es braucht eine große Fachkräfte­offensive, um qualifizie­rtes Personal auszubilde­n, zu gewinnen und zu halten. Das ist die größte Herausford­erung der nächsten Jahre.

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Hannes Neumeier
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Petra Hetzner
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A. Steinbrech­er

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