Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ab wann ist Pupsen peinlich?

Als Baby ist alles noch drollig. Schade, dass das irgendwann aufhört

- VON TANJA WURSTER

Ich bin voll des Lobes und strahle: „Toll hast du das gemacht!“Der freudige Anlass: Mein Sohn hat gepupst und anschließe­nd lautstark in die Windel gedonnert! Er strahlt zurück. Die Welt ist manchmal so einfach, wenn man ein kleines Baby ist. Nicht mehr ganz so einfach ist sie für meine achtjährig­e Nichte. Sie ist Zeuge der Szene und schaut mich irritiert an. „Wenn ich das mache, heißt es: ‚Das gehört sich nicht.’“

Recht hat sie. Es ist schon seltsam: Bei Babys findet man es süß, wenn ihr Körper Geräusche produziert, bei Kindern wird es maximal geduldet, bei Erwachsene­n ist solch ein Verhalten einfach nur peinlich. Gibt es dafür eine Altersgren­ze oder ist das ein fließender Übergang? Und was muss passieren, dass man vom Loben ins Schimpfen übergeht?

Ich befreie meinen Sohn von seiner vollen Windel und sinniere darüber nach. Hach, er hat so süße Beinchen, geht es mir durch den Kopf. So richtig goldige SpeckBeinc­hen mit Falten, wie bei einem Michelin-Männchen. Ich muss ihn kurz abbusseln, meinen süßen Sohn! Ja, ich bin ganz verliebt in ihn, in sein zahnloses Lächeln, seine Halbglatze und seine wohlgenähr­te Statur. Ein richtiger kleiner Wonnepropp­en ist er!

Wenn er pupst und sabbert, bin ich hin und weg. Ist das normal? Ich muss an meine Nichte denken. Würde sie sabbern, fände ich das wohl nicht mehr hinreißend… Also irgendwann ist Schluss mit lustig! Ich nehme mir vor, mein Verhalten zu beobachten. Es muss ja so etwas wie ein Schlüssele­reignis geben, das aus unseren süßen Babys erziehungs­bedürftige Kinder mit Defiziten werden lässt. Aber solange will ich noch meinen kleines rundes Pupserchen genießen …

Tanja Wurster (34) ist freie Mitarbeite­rin der Landboten Redaktion und lebt mit ihrer Fa milie in Augsburg.

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