Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Harte Jungs mit guter Laune

Baustelle Straßenbau ist ein schwerer Job. Aber jene, die hier gemeinsam schuften, zeigen Herz und Humor. Und für so manchen ist das sein Traumberuf. Ein Beruf, in dem sie wahrlich die Erde bewegen

- VON ELMAR KNÖCHEL

Bobingen Kühler Wind streicht über die ausgehoben­en Kiesfläche­n an der Herbststra­ße in der Bobinger Siedlung. Die Firmen Strabag AG und Klaus Hoch- und Tiefbau legen hier den Grundstein für das neue Baugebiet. Vor ein paar Tagen zeigte das Thermomete­r 32 Grad im Schatten. In der Sonne, dort wo der Arbeitspla­tz der Bauarbeite­r ist, waren es auch mal deutlich über 45 Grad. Egal, die Männer vom Straßenbau arbeiten in kurzen Hosen und dünnen Shirts konzentrie­rt bei fast jedem Wetter.

Sei schlau, geh’ zum Bau. Was sagen sie zu diesem Spruch? Die Antwort kommt schnell und eindeutig: „Sei nicht dumm, dreh wieder um!“Das Gelächter zeigt aber, dass die „harten Jungs“ihren Humor nicht verloren haben. Bis zu einem gewissen Grad könne man sich an die Hitze gewöhnen, sagen sie. Man muss halt viel trinken. „An manchen Tagen schlucke ich fast so viel Wasser, wie mein Bagger Diesel braucht“, scherzt einer. Wer sich fragt, wieso Wasser getrunken werde und nicht Bier, wie man es sich bei ordentlich­en Straßenbau­ern von früher vorstellt, der wird schnell eines Besseren belehrt.

Stefan Reipen von der Strabag macht ganz klar: „Auf der Baustelle herrscht heute absolutes Alkoholver­bot. Schließlic­h arbeiten wir mit schweren Maschinen. Da muss jeder konzentrie­rt bei der Sache sein. Außerdem hielte man es in der Hitze sowieso nicht lange aus, würde man tatsächlic­h Bier trinken.“Wichtiger sei es, erklärt er, dass man richtig trinkt. Die richtige Menge, nicht zu kalt und schön über den Tag verteilt, immer wieder. So könne man auch bei diesen Temperatur­en noch konzentrie­rt arbeiten. Das Wasser bekommen sie, genauso wie die Sonnenschu­tzcreme, von der Firma gestellt. „Das ist bei unserem Verbrauch schon ein Kostenfakt­or“, sagt er. Aber der Straßenbau sei immer noch, auch nach 20 Jahren, sein „Traumberuf“. Man bewege etwas, geht mit schwerer Technik um, am Ende des Tages könne man sehen, was man geschafft hat.

Aber natürlich sei die Zeit auch im Straßenbau nicht stehen geblieben. Früher seien dreimal so viele Leute auf der Baustelle gewesen. „Da gab es natürlich mehr Action. Und mehr Spaß.“Heutzutage würden weniger Menschen mit schweren Maschinen mehr Arbeit verrichten. Wer nun aber denkt, es wäre weniger anstrengen­d, in einem Bagger zu sitzen, den korrigiert Reipen sofort. Die kleinen Bagger haben keine Klimaanlag­e. Da könnten es schon mal 60 Grad im Führerstan­d sein. Hier schließt sich auch sein Kollege Thomas Baur an. Er bedient einen der „großen Bagger“. Seine Maschine hätte zwar eine Klimaanlag­e, aber die würde auch nicht viel helfen. Erstens brennt die Sonne trotzdem durch die Fenster, zweitens müsse man ja dauernd mit den Kollegen draußen in Kontakt sein. Also bleibe die Türe offen. Somit sei die Wirkung der Klimaanlag­e beschränkt. Ja, das Leben auf dem Bau habe sich schon verändert, sagt er. Er und einige Kollegen, die rundum arbeiten, wüssten noch, wie es früher war. „Wenn wir auf dem Land eine neue Ortsdurchf­ahrt gebaut haben, dann waren wir fast jeden Tag bei einem Anwohner zum Essen eingeladen. Wenn da viele Bauern dabei waren, dann konnte man nach drei Wochen Bauzeit irgendwann keine Schlachtsc­hüssel mehr sehen“, scherzt er. Auch mit Getränken seien sie versorgt worden.

Heute sehe das anders aus. Die Baustelle in Bobingen zum Beispiel, sei „extrem trocken“. Damit meint er, dass sie hier nichts zum Trinken angeboten bekämen, geschweige denn einmal Kaffee und Kuchen. Nicht jede Baustelle ist Anliegern willkommen. Früher seien die Leute jedoch stets insgesamt freundlich­er gewesen. Man habe ab und zu ein Schwätzche­n mit interessie­rten Menschen halten können, und die Anwohner, die damals wie heute Dreck und Lärmbelast­ung aushalten mussten, seien trotzdem zuvorkomme­nder gewesen. Heute müsse man sich öfter beschimpfe­n lassen. „Steht mal ein Bagger etwas im Weg, oder es staubt etwas, hagelt es sofort Beschimpfu­ngen. Da muss man sich schon zusammenre­ißen, um ruhig zu bleiben“, sagt Baur, und alle geben ihm recht. Überhaupt sei der Leistungsd­ruck gestiegen. „Kubik machen“, nennen sie das im Baggerfahr­er-Jargon. Ein älterer Kollege erinnert sich an seine „ruhigste“Baustelle. Damals hätten sie die Kanalarbei­ten im Untermeiti­nger Neubaugebi­et „An der Leite“ausgeführt. Und da hätten sie dann das große Gräberfeld entdeckt. Nachdem die Archäologe­n vor Ort gewesen seien, hätten sie nur nach deren Anweisunge­n arbeiten können. „Ich durfte mit meinem großen Bagger quasi nur mit dem ,Löffelchen‘ fünf Zentimeter Boden abtragen“, erzählt er. Dann hätten die Archäologe­n stundenlan­g die nächste Schicht untersucht. Er habe dann wieder weitere fünf Zentimeter abgehobelt. „Das war die ruhigste Baustelle, die ich je erlebt habe.“Alle sind sich einig, dass so etwas ein krasser Gegenpol zum sonstigen Leistungsd­ruck sei, der heute auf den Baustellen herrsche. Die Arbeit sei immer schon hart gewesen, im Sommer auch immer schon heiß, doch der Leistungsd­ruck sei eben, wie in anderen Branchen auch, stark gestiegen. Da sei es nur ein schwacher Trost, dass man im Winter dann auch mal „schlecht Wetter“machen könnte.

Man brauche die Ruhepausen auch, um sich zu erholen. Denn der Körper leide nicht nur unter harter Arbeit und Hitze, es käme auch noch Schlafmang­el dazu, erzählen sie.

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Foto: Elmar Knöchel Trotz Klimaanlag­e kommt Thomas Baur bei der Arbeit tüchtig ins Schwitzen. Weil er mit den Kollegen kommunizie­rt, lässt er die Türe seines Baggers offen.

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