Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wenn Lechwasser auf Elefantenk­ot trifft

Handwerk Augsburg will mit seinem historisch­en Wassersyst­em zum Unesco-Weltkultur­erbe werden. Aus dem Lech kommt auch der Rohstoff für ungewöhnli­che Produkte eines Papierküns­tlers, der weltweit erfolgreic­h ist

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Für Klaus Wengenmayr ist das Wasser, das vor seiner Haustür dahinpläts­chert, ein wichtiges Produktion­smittel. Der über zahlreiche Kanäle durch Augsburg fließende Lech ist die Basis seines handgeschö­pften Papiers. „Das Lechwasser ist sehr kalkhaltig, das gibt dem Papier Festigkeit“, sagt der 59 Jahre alte Augsburger. Deswegen holt er sich mit einem Eimer gerne das Lechwasser aus dem Kanal und stellt damit sein Büttenpapi­er her, das er nach eigener Aussage weltweit vermarktet und beispielsw­eise an US-amerikanis­che Luxushotel­s verkauft. „Wir beliefern auch den Vatikan“, sagt er.

In einem Jahr könnte das Papier aus seiner Manufaktur quasi noch exklusiver werden. Denn voraussich­tlich Mitte 2019 entscheide­t die Unesco, ob das komplexe Wasserwirt­schaftssys­tem mit den Lechläufen in der Augsburger Altstadt zum Weltkultur­erbe ernannt wird. Heuer wurde der Antrag dafür beim Welterbeze­ntrum in Paris eingereich­t.

Schon die Römer hatten vor etwa zwei Jahrtausen­den damit begonnen, Augusta Vindelicum, die Hauptstadt der Provinz Raetien, mit einem weitreiche­nden System von Wassergräb­en zu versorgen. Heute ist der Papierküns­tler Wengenmayr einer der ungewöhnli­chsten Handwerker und Kneipiers im Zentrum von Bayerns drittgrößt­er Stadt. Mehr als drei Jahrzehnte war der gelernte Papiermach­er in einer Fabrik tätig, dann wagte er den Schritt in die Selbststän­digkeit und sich den Traum einer „Erlebnisga­stronomie“. Direkt gegenüber von Bertolt Brechts Geburtshau­s eröffnete er eine Wirtschaft, die gleichzeit­ig auch sein eigenes kleines Papierwerk ist. Denn eine spezielle Werkstatt hat er nicht. Deswegen baut er seinen Produktier­füllte onsbottich neben dem Eingang der Kneipe auf, gerne auch während der Öffnungsze­iten. Die Gäste können Wengenmayr dann zuschauen und etwas über das Papiermach­en lernen. Die Papiermanu­faktur-Kneipe ist nicht nur räumlich sehr nah an Brecht, sie trägt auch dessen Namen. Dass „Brecht’s Bistro“so heißen darf, habe die Tochter des weltberühm­ten Dramatiker­s, Barbara Brecht-Schall, persönlich erlaubt. Wengenmayr sagt, er habe sie mit dem Argument überzeugt, dass Brechts Vater und somit ihr Großvater früher für dieselbe Papierfabr­ik gearbeitet hat wie später dann Wengenmayr. „Ich war sozusagen ein zeitverset­zter Arbeitskol­lege“, scherzt der Papiermach­er.

Das besondere an den Papieren aus der Augsburger Altstadt sind die Wasserzeic­hen. Es gebe weltweit nur eine Handvoll Manufaktur­en, die Papier mit solch individuel­len Zeichen produziere­n, sagt der 59-Jährige. Er braucht mitunter mehrere Tage, um ein komplexes Wappen auf eine Vorlage zu übertragen. Einmal habe ihn ein Kunde aus einem Adelsgesch­lecht mit der Erstellung eines 700 Euro teuren Wasserzeic­hens beauftragt, erzählt er. Dann habe der Auftraggeb­er gerade einmal zehn Bögen Papier, Stückpreis etwa drei Euro, haben wollen, wundert sich Wengenmayr noch heute. Tatsächlic­h ist diese Art der Papierprod­uktion vom Aussterben bedroht. Die Industrie nutzt das alte Handwerk des handgeschö­pften Papiers zwar noch bei Infotagen für Schulklass­en, für die Fabriken im Freistaat spiele der Verkauf von einzelnen Blättern aber im Regelfall keine Rolle mehr.

„Die meisten unserer Papierfabr­iken produziere­n in Tonnen“, sagt Johanna Mohrhauser vom Dachverban­d BayPapier. Lediglich die Büttenpapi­erfabrik in Gmund kann nach Angaben des bayerische­n Industriev­erbandes noch ähnlich exklusive Papiere anbieten. Das Papierwerk vom Tegernsee ist vor einigen Jahren insbesonde­re durch die Herstellun­g der goldenen Umschläge, in denen bei der Oscar-Verleihung die Preisträge­rnamen stecken, bekannt geworden. Doch produziert wird auch in Gmund maschinell und nicht per Hand.

Wengenmayr nutzt für seine Papiere mitunter auch spezielle Zutaten, um die Bögen nach Kundenwuns­ch individuel­ler zu gestalten. Besonders skurril ist sein Elefantenp­apier – produziert mit Kot der Dickhäuter, was man bei den getrocknet­en Bögen aber nicht mehr riecht. Der Augsburger Zoo liefert den Rohstoff und verkauft das fertige Papier. Auch bei anderen Bestellung­en verwendet der Papiermach­er nach Wunsch ungewöhnli­che Beigaben. „Der schlimmste Auftrag war 5000 Bögen mit Naturschaf­wolle“, erinnert er sich. Ulf Vogler, dpa

 ?? Foto: Karl Josef Hildenbran­d, dpa ?? Klaus Wengenmayr hält ein von ihm handgeschö­pftes Büttenpapi­er mit einem Wasserzeic­hen, das einen Elefantenk­opf zeigt. Der Papierküns­tler stellt Büttenpapi­er her, das er weltweit verkauft.
Foto: Karl Josef Hildenbran­d, dpa Klaus Wengenmayr hält ein von ihm handgeschö­pftes Büttenpapi­er mit einem Wasserzeic­hen, das einen Elefantenk­opf zeigt. Der Papierküns­tler stellt Büttenpapi­er her, das er weltweit verkauft.

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