Augsburger Allgemeine (Land Nord)
In 80 Tagen über den Kontinent
Abenteuer Das Augsburger Land ist für einen 58-jährigen Lehrer eine schöne Zwischenstation auf einer 4000 Kilometer langen Reise von Georgien nach Heidelberg. Unterwegs ist er auf Inlinern, denn er will auffallen, um anderen zu helfen
Mickhausen Früh morgens rollt Martin Fluch auf seinen Skaterschuhen durch die Straßen von Königsbrunn. Ausgestattet ist er mit einem Helm und einem Rucksack. Vor ihm liegen die noch flachen Straßen von Bobingen, gefolgt von den Höhenzügen des Naturparks Westliche Wälder in den Stauden. Mittags hat die Redaktion den merkwürdigen Reisenden mittels Handy kurz vor Mickhausen aufgespürt. Sichtungen von ihm hatten sich am Dienstag herumgesprochen und ein Tipp erreichte bald die Zeitung. Wie auch viele Menschen in den Wochen zuvor, hatte in Königsbrunn Stadtrat Jürgen Göttle schon am Morgen den Mann auf CrossSkates angesprochen und von dessen Reiseziel Heidelberg und dem fernen Startpunkt in Georgien erfahren.
Der Landkreis Augsburg ist nur ein kleiner Abschnitt auf seiner 4000 Kilometer langen Reise: „Heute ist der 71. Tag, gestartet bin ich am 18. Juni in Batumi.“In dieser georgischen Stadt an der Ostküste des Schwarzen Meeres unterrichtete der 58-Jährige Deutsch als Fremdsprache. Sein Arbeitsverhältnis mit der staatlichen Schule endete im Juli und der Lehrer kehrt nun mit seiner Familie zurück nach Deutschland. Während diese in Heidelberg schon auf ihn wartet, trennen ihn noch rund 300 Kilometer von seinem Ziel. „In den ersten vier Wochen habe ich versucht, 50 Kilometer pro Tag zu schaffen, manchmal sogar 60. Dafür fahre ich ungefähr um halb sieben los.“Bei seinem Weg in den jüngsten Hochsommerwochen musste er die kühlen Morgenstunden nutzen.
Nachmittags zwischen 16 und 17 Uhr macht er sich gewöhnlich auf die Suche nach einer Unterkunft für die Nacht. Er übernachtet nur in Hotels, Fremdenzimmern oder Herbergen, ein Zelt hat er nicht dabei. Dieses solch eine weite Strecke mitzutragen, hätte seine Fahrzeit erheblich verlängert. Denn er will die Rückkehr nach Heidelberg in möglichst 80 Tagen über die Türkei, Bulgarien, Serbien, Ungarn und Österreich bewältigen. Um das Reisegepäck leicht zu halten, muss ihm ein leichter Rucksack genügen. Mit dabei an Nahrung hat er meistens nur Wasser. „Wenn ich abends gut esse, dann brauche ich vormittags nicht unbedingt etwas.“Und wenn doch, hält er in einem Café an. Überall auf seinem Weg treffe er auf sehr gastfreundliche und interessierte Menschen, sagt er. Vor allem in der Türkei, an der Küste des Schwarzen Meers, sei er oftmals von Passanten herangewunken worden und bei einem Tee erzählte er ihnen von seinem Projekt.
Es ist nämlich nicht einfach eine ungewöhnliche Urlaubsreise. Martin Fluchs Lauf sammelt Spenden. Die Kaukasische Post und eine Monatszeitung aus dem Südkaukasus kümmern sich um die Finanzierung des Projekts, insgesamt stehen dem Läufer auf seiner Reise 4500 Euro zur Verfügung. Weitere Spenden sollen durch Sponsoren aufgebracht werden. Sie belohnen Strecke und Tempo der Aktion. Denn der Lauf dient einem Wohlfahrtsprojekt der Kinderkrebshilfe des georgischen Solidaritätsfonds.
Hintergrund: Seit einigen Jahren kooperiert die Kinderkrebs-Klinik der Universität Freiburg mit Kliniken in Georgien in der Behandlung krebskranker Kinder und Jugendlicher. Mit dem Erlös des Charitylaufes „Vom Kaukasus zum Königstuhl“soll Geld gesammelt werden, damit bei 80 krebskranken Kindern und Jugendlichen die richtige Diagnose gestellt werden kann, da in ihrer Heimat in der Regel fünf von zehn Diagnosen falsch sein sollen. Am 6. September will Fluch in Heidelberg ankommen. „Um 14.20 Uhr. Da ist ein großer Empfang für mich, auch mit der Presse.“Deshalb muss er sich die letzten 300 Kilometer in den restlichen neun Tagen gut einteilen, damit er es rechtzeitig schafft. Genauer gesagt in acht Tagen, da er sich einen Tag Auszeit gönnt und seinem Heimatort Hildrizhausen einen Besuch abstattet. Dieser liegt südwestlich von Stuttgart.
Martin Fluch sagt, in den südöstlichen Ländern sei es üblicher, Fremde anzusprechen und sie an den Tisch zu bitten, doch auch in Deutschland wurde er angesprochen, wenn er in einem Restaurant pausierte. Trainiert habe der 58-Jährige für seinen Lauf nicht. Durch Fußball, Rugby und Langlauf sei er fit und ausdauernd und bewege sich sowieso sehr gerne. „Oft laufe ich pro Tag zehn Kilometer – ohne Sport.“
Einen Unfall hatte er nicht auf seiner langen Reise, außer einen kleinen Sturz bei Istanbul, als sich eine Schnur in einem der Räder verfing. Er trägt aber einen Helm und geht das Fahren auch vorsichtig an. Wenn es zu steil ist oder die Straße in einem nicht befahrbaren Zustand ist, schnallt er die Skates ab und läuft. Auch wenn es bergab geht, passt er auf, zum Beispiel bei der Überquerung des Tauernpasses in Österreich. Er will heil ankommen in Heidelberg und bei seiner Familie. „Jetzt habe ich 3700 Kilometer hinter mir, da sollte auf den letzten 300 Kilometern nichts mehr passieren.“