Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Frisieren, fixieren, föhnen und färben
Einmal Azubi sein In einem Gersthofer Salon schnuppert unsere Autorin in den Ausbildungsberuf zum Friseur hinein. Die erste gewickelte Locke gelingt ihr recht gut / Serie (5)
Gersthofen Im September beginnt für alle Auszubildenden das neue Lehrjahr. Doch viele Betriebe finden oft kaum noch Bewerber für ihre Lehrstellen. In unserer Serie „Einmal Azubi sein“begeben sich unsere Autoren auf Lehrstunde. Sie probieren verschiedene Berufe aus und berichten von ihren Erfahrungen. In dieser Folge besucht die Autorin einen Friseursalon.
Mit einem feinen Kamm fahre ich durch das lange, blonde Haar. Ich ziehe einen geraden Scheitel und versuche in einigen Zügen, die Strähne zu glätten. Während ich das Haar – wahrscheinlich viel zu grob – nach oben halte und konzentriert den Lockenwickler eindrehe, verzieht meine Kundin keine Miene.
Das Haar ist echt, die Dame vor mir nicht. Es handelt sich um einen Modellkopf, den mir Claudia Ammon, Inhaberin des Friseursalons Ammon in Gersthofen, zum Üben gegeben hat. Normalerweise sind es Auszubildende, die sich an einem solchen Kopf versuchen, heute stehe ich davor. „Für die erste gewickelte Locke ist das doch gar nicht so schlecht“, sagt die Chefin, nachdem sie meine Arbeit genau begutachtet hat.
Claudia Ammon leitet den Salon in Gersthofen, den ihre Mutter bereits vor 50 Jahren eröffnete, in zweiter Generation. Im Laufe der Zeit begleitete sie nahezu 35 Lehrlinge durch ihre Ausbildung, heute sitzt die Friseurmeisterin im Prüfungsausschuss. Sie weiß, wie der Weg bis zur Gesellenprüfung aussieht: „So eine Ausbildung dauert drei Jahre. Zuallererst lernt man Dinge wie Haare waschen, Farbe auftragen oder richtig föhnen.“Während Claudia Ammon erzählt, trägt sie mit einem Pinsel eine Kur auf dem Kopf einer Kundin auf – ich beobachte sie dabei. „Gerade am Anfang lernt man auch viel durchs Zuschauen“, sagt die Friseurmeisterin. Außerdem müssen sich viele der Auszubildenden erst einmal an das lange Stehen gewöhnen und sind verblüfft, welche große Rolle die Hygiene spielt. „Selten hat ein Kunde so viel Zeit wie in einem Friseursalon, um sich umzuschauen“, erklärt Claudia Ammon. „Deswegen müssen die Haare gründlich aufgeräumt und die Waschbecken geputzt werden.“
Doch wann greift ein Friseurazubi eigentlich das erste Mal zur Schere? Das sei nicht in jedem Salon gleich, so Ammon. Doch in jedem Fall koste es einige Aufregung, auch wenn der Meister stets dabeistehe. „Die Lehrlinge probieren sich zuerst an einem Übungskopf aus. Später können lebende Modelle die Mutter oder die Freundin sein.“In manchen Salons dürfen die Azubis während der gesamten Ausbildung nicht am Kunden arbeiten, in anderen schon. Wichtig sei es aber, „die Gelenkigkeit der Handführung“und das beidseitige Arbeiten zu lernen. „Es ist nicht nur die Lieblings- hand, die alles übernimmt“, erklärt die Inhaberin.
Neben dem Haareschneiden für Herren, Frauen und Kinder spielen auch Make-up, Hochsteckfrisuren und Dauerwellen eine Rolle in der Ausbildung. Dabei könne man zwar vieles lernen, andere Fertigkeiten bringe man mit oder eben nicht, sagt Ammon. Viel Bedeutung habe auch die „psychologische Ebene“: Man müsse gut zuhören und die Vorstellungen der Kunden umsetzen können. Außerdem gehe es um Verant- wortung und Vertrauen. „Als Friseurin darf ich direkt am Menschen arbeiten“, sagt sie. „Das erfordert vom Kunden fast so viel Vertrauen wie einem Arzt gegenüber.“
Nachdem die Kur auf dem Kopf der Kundin Zeit zum Einwirken hatte, macht sich Claudia Ammon ans Herauswaschen. Unter dem Wasserstrahl massiert sie das Pflegemittel heraus. „Jedes Haar ist individuell und braucht andere Produkte.“Mit zu viel oder falscher Pflege könne man auch einiges kaputtmachen. „Zum Beispiel bringt es nichts, ein Anti-Schuppen-Shampoo zu benutzen, wenn die Schuppen längst weg sind. Da könnte man genauso gut Tabletten gegen Halsweh einnehmen, damit man erst gar keine Schmerzen bekommt“, sagt sie. „Das schadet eher.“
Nach knapp einer Stunde im Friseursalon bleibt noch eine Frage: Warum fällt es vielen Friseursalons mittlerweile so schwer, neue Azubis zu finden? Claudia Ammon sagt: „Ich vermute, das liegt an den Arbeitszeiten und am Gehalt. Doch wir sind auf einem guten Weg, es gibt jedes Jahr Lohnerhöhungen.“Aber auch im Kopf der Kunden müsse eine Umstellung stattfinden. Damit in Zukunft statt eines günstigen Preises die Qualität im Vordergrund steht.