Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ist das Grüne bei Tomaten giftig?

Kolumne Wer die Früchte erntet, nascht gerne mal eine direkt vom Strauch. Gefährlich ist das nicht

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Das meine Liebe zu Tomaten geweckt wurde, ist schon etliche Jahre her. Vermutlich war ich damals sechs Jahre alt. Im Gewächshau­s meiner Tante waren die Früchte gerade reif geworden. Rot, rund und vor allem groß hingen sie an den Sträuchern. Mein wesentlich älterer Cousin erzählte mir, man dürfe die Früchte auf gar keinen Fall durchbeiße­n oder gar klein schneiden. Man müsse sie am Stück in den Mund stecken. So schmeckten sie viel besser.

Als kleines Mädchen glaubt man dem großen Cousin solche Dinge natürlich. Ich steckte mir die Tomate also auf einmal in den Mund und konnte die nächsten zehn Minuten erst einmal keiner anderen Beschäftig­ung nachgehen als dem Kauen. Seitdem bevorzuge ich Cocktailto­maten. Die sind wirklich mit einem Happs im Mund.

Nun hört man aber immer mal wieder, dass man das Grüne, also den Stielansat­z, einer Tomate auf gar keinen Fall mitessen sollte. Der sei nämlich giftig und gehöre vor dem Verzehr entfernt. Gerade wenn ich kleine Tomaten esse – am besten frisch vom Strauch – mache ich das nie. Wie gefährlich ist das?

Ein Anruf bei Heidrun Schubert. Sie arbeitet in der Ernährungs­beratung bei der Verbrauche­rzentrale Bayern und sagt: Es stimmt. Der Stängelans­atz der Tomate enthält das Nervengift Solanin. Isst man zu viel davon, kann man Kopfschmer­zen bekommen oder es wird einem übel. Aber bevor jetzt unter Tomatenfre­unden Panik ausbricht: Der Stoff ist in der grünen Stelle nur in sehr, sehr, sehr geringen Mengen enthalten. Und deshalb sagt Schubert: „Der Stielansat­z der Tomate kann problemlos mitgegesse­n werden.“Gerade bei Cocktailto­maten ist die Dosis quasi homöopathi­sch, das heißt, man müsste schon sehr, sehr große Mengen essen, um eine Wirkung zu spüren. Der Stoff wird übrigens auch von anderen Nachtschat­tengewächs­en – zu denen die Tomate zählt – produziert. Von Kartoffeln zum Beispiel. Schubert sagt: „In den grünen Stellen der Kartoffel oder auch in der Kartoffels­chale ist sehr viel mehr Solanin enthalten.“Weshalb man solche Stellen auf jeden Fall entfernen sollte.

Bei den Tomaten gibt es wohl noch einen anderen Grund, warum viele Menschen den Stielansat­z herausschn­eiden: Er schmeckt nicht besonders gut. Schubert zufolge ist er leicht bitter und gerade bei großen Tomaten kann er holzig werden. Das macht sich natürlich nicht besonders gut in der Caprese. „Wenn jemand den Stielansat­z herausschn­eidet, hat das wohl meist ästhetisch­e Gründe“, sagt Schubert.

Und was heißt das jetzt? Ab in den Garten (oder auf den Balkon), Tomaten ernten und auf einmal in den Mund schieben. So schmecken sie nämlich am besten. Wirklich wahr!

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Foto: dpa Bei den Deutschen geht der Trend inzwi schen zur Cocktailto­mate.
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Christina Heller ist Wirt schaftsred­akteurin unse rer Zeitung. Sie beantworte­t einmal in der Woche Fra gen des Alltags.

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