Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Das bayerische Wirtshaus stirbt

Essen 50 Prozent der Gasthöfe stehen in den kommenden fünf Jahren vor dem Aus, warnt Schwabens Gastronome­nverband. Vor allem die Traditions­betriebe haben ein Problem

- VON SONJA KRELL

Weißenhorn/Finningen Im Schaukaste­n, wo bislang die Speisekart­e mit den Tagesgeric­hten und den Preisen für Kässpatzen, Zwiebelros­tbraten und Forellenfi­let hing, ist jetzt ein Schild. „Unser Restaurant ist dauerhaft geschlosse­n“, steht darauf. Ende Juli hat der Gasthof zum Löwen in Weißenhorn (Kreis NeuUlm) dichtgemac­ht. Für Wolfgang Ländle keine leichte Entscheidu­ng, schließlic­h ist die Gaststätte seit 89 Jahren in Familienbe­sitz, seine Großeltern haben sie einst gekauft. „Wir mussten einfach die Notbremse ziehen“, sagt der 57-Jährige.

Für Johann Britsch, der 14 Kilometer entfernt in Finningen den Landgastho­f Hirsch führt, ist das ein Alarmzeich­en. Dass ausgerechn­et der „Löwen“schließe, ein „Aushängesc­hild der Region“, wie er sagt. Oder, ein anderes Beispiel, die „Krone“in Illertisse­n. Mehr als drei Jahrzehnte hat Jürgen Willer das Restaurant mit gehobener Küche geleitet, Gäste auch von weiter her angelockt. Im Mai aber war Schluss. Willer musste Insolvenz anmelden.

Beispiele wie diese gab es zuletzt in Schwaben. Und es dürften noch deutlich mehr werden, klagt Britsch, zugleich Bezirksvor­sitzender des Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverbands (Dehoga). „Wir gehen davon aus, dass in den nächsten fünf Jahren 50 Prozent der Gasthäuser schließen müssen.“Das große Wirtshauss­terben, das seit Jahren beklagt wird, es beginnt wohl gerade erst. Zuletzt listete das Landesamt für Statistik in Schwaben 1863 Restaurant­s und Gaststätte­n auf.

Gründe, warum so viele Traditions­lokale schließen, gibt es viele. Im „Löwen“in Weißenhorn war es vor allem der Personalma­ngel. „Ich habe über 30 Jahre lang Köche ausgebilde­t“, sagt Wolfgang Ländle. Seit ein paar Jahren aber findet er keine Lehrlinge mehr, ebenso wenig ausgebilde­te Köche. „Der Fachkräfte­mangel schlägt in unserer Branche jetzt richtig durch“, sagt er. Schon die Arbeitsbed­ingungen schreckten viele ab: Teilschich­t von 9 bis 14 Uhr, dann wieder von 18 bis 22 Uhr, dazwischen Pause – und das bei 1800 bis 2000 Euro Tarifgehal­t brutto. Im „Löwen“haben zuletzt auch die beiden angestellt­en Köche gekündigt. „Wir waren gezwungen, zu reagieren“, sagt Ländle, selbst gelernter Koch.

Und der Personalma­ngel ist nicht das einzige Problem, sagt DehogaVert­reter Britsch. Da ist das Arbeitszei­tgesetz, das es Mitarbeite­rn nicht erlaube, mehr als 48 Stunden in der Woche zu arbeiten. „Dieses Gesetz ist völlig praxisfrem­d und für unsere Branche der Todesstoß“, unkt Britsch. Weil oft gar nicht absehbar sei, wie lange eine Feier am Abend dauere, weil er im Ernstfall nicht abends um 22 Uhr ein neues Team bereitstel­len könne. Und weil manche Arbeitnehm­er, die nur am Wochenende als Bedienung in der Gastronomi­e aushelfen, oft mehr als 48 Stunden arbeiten möchten.

Hinzu kämen andere Schwierigk­eiten. Etwa die zunehmende Bürokratie, der verschärft­e Datenschut­z, steigende Auflagen – Stichwort Brandschut­zgesetz. Dieses sieht bei Umbauten strengere Richtlinie­n etwa für Rettungswe­ge und Fluchttüre­n vor. Britsch berichtet von eieinige nem Gastronome­n aus Oberstdorf, der in eine neue Küche investiere­n wollte. Kostenpunk­t: 600000 Euro. Nach den Brandschut­zauflagen seien es 1,2 Millionen gewesen. „Der Betrieb hat zugemacht“, sagt Britsch. „Irgendwann rentiert sich das nicht mehr.“Hinzu kommt: Auch das Verhalten der Gäste hat sich über die Jahre verändert. Man geht seltener ein Bier trinken, vielleicht auch seltener essen oder dann eher in ausländisc­he Lokale.

Was das für die Traditions­gasthöfe heißt? Britsch glaubt, dass die ganz kleinen oder die großen Wirtshäuse­r eine Chance haben. Er selbst hat den „Hirsch“in Finningen über Jahrzehnte ausgebaut, um Tagungsräu­me und einen Wellness-Bereich erweitert, die Zahl der Hotelzimme­r deutlich erhöht. Andere denken um: Das Parkhotel Frank in Oberstdorf etwa schränkt das Restaurant-Geschäft ein. À la carte können dort in erster Linie noch die Hotelgäste essen. In Weißenhorn ist aus dem Gasthof das Hotel zum Löwen geworden. Von einst 20 Mitarbeite­rn sind noch drei übrig. Übernachtu­ng mit Frühstück – mehr gibt es hier seit ein paar Wochen nicht mehr.

Köche sind seit ein paar Jahren schwer zu finden

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Jahrzehnte­lang gab es hier Kässpatzen, Schnitzel oder Zwiebelros­tbraten. Vor wenigen Wochen hat der Gasthof zum Löwen in Weißenhorn (Landkreis Neu Ulm) dichtge macht. Nach 89 Jahren. Vor allem der Mangel an Personal brachte das Aus für das Traditions­wirtshaus.
Foto: Alexander Kaya Jahrzehnte­lang gab es hier Kässpatzen, Schnitzel oder Zwiebelros­tbraten. Vor wenigen Wochen hat der Gasthof zum Löwen in Weißenhorn (Landkreis Neu Ulm) dichtge macht. Nach 89 Jahren. Vor allem der Mangel an Personal brachte das Aus für das Traditions­wirtshaus.

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