Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Was die neuen Gartenaufseher hier erleben
Kontrolle Der Botanische Garten wird zum Selbstbedienungsladen: Neulich wollte eine Besucherin einen Blumenkübel hinaustragen. Jetzt hält die Stadt mit Sicherheitsleuten dagegen – und die erleben Kurioses
Neulich erst kam ihm im Botanischen Garten ein Mann mit einem Salatkopf und einer Gurke entgegen. Fabian Konnertz dachte kurzzeitig, der Besucher war einkaufen. Aber wo auch? Nein. Der Besucher hatte sich tatsächlich verbotenerweise im Bauerngarten bedient. Fälle wie diese sind der Grund, warum seit April Sicherheitskräfte im Botanischen Garten aufpassen. Sie setzen vor allem auf eines.
Eigentlich ist Fabian Konnertz als Gärtner im Botanischen Garten angestellt. Doch alle zwei Wochen zieht er sich jetzt das blaue Shirt mit der weißen Aufschrift „Gartenaufsicht“über. Dann sieht er auf dem 6,5 Hektar großen Gelände nach dem Rechten. Der 41-Jährige wechselt sich wöchentlich mit einem Kollegen ab.
Das Verhalten mancher Besucher macht Kontrollen offensichtlich erforderlich. Rund 250000 Besucher kommen jährlich in den Botanischen Garten. 97 Prozent verhalten sich normal und würdigen die Anlage, betont Leiter Bernhard Winzenhörlein. Aber da sind eben die drei Prozent, die sich daneben benehmen. „Genau die versalzen uns die Suppe und bleiben im Gedächtnis.“Fabian Konnertz kann etliche skurrile und ärgerliche Vorfälle aufzählen.
Da wird etwa ein Kasten Bier über den Zaun an durstige Besucher des Botanischen Garten hineingereicht oder auf dem Rasen ein Einweggrill angeworfen. Neulich flog eine Drohne knapp an seinem Kopf vorbei. Ein Mitglied einer Hoch- zeitsgesellschaft hatte das Fluggerät steigen lassen, was freilich verboten ist. „Das ist eine Gefahr für die Besucher“, sagt Konnertz. Bei anschließenden Diskussionen zeigten sich die Besucher oft uneinsichtig. Für ihn und seinen Kollegen gibt es immer wieder etwas zu tun, auch weil manche die idyllische Ruhe der Anlage stören – wie etwa die grölenden Männer eines Junggesellenabschiedes neulich.
Oder der Mann, der auf einer Liege lag und laut Musik über eine Bluetooth-Box hörte. Dabei soll der Botanische Garten doch eine Oase sein. Er habe kein Problem, in besonderen Fällen Besucher des Gartens zu verweisen, sagt Konnertz. ist aber schon das Äußerste. Mehr passiert nicht.
Auch die Frau von neulich bekam keine Konsequenzen zu spüren. Der Gärtner beobachtete die Besucherin, wie sie mit einem bepflanzten Blumenkübel den Botanischen Garten verlassen wollte. Darauf angesprochen, soll die Dame gesagt haben: „Wieso? Ich zahle Steuern an die Stadt. Da kann ich mir auch mal Blumen mitnehmen.“Leiter Bernhard Winzenhörlein will, dass die Gartenaufsicht solche Situationen mit Fingerspitzengefühl regelt und aufklärt. „Wir wollen niemanden wegen eines Blumenkübels oder Salatkopfes anzeigen. Negatives spricht sich rasch herum. Dann heißt es nur, im Botanischen Garten wird schnell die Polizei geholt“, befürchtet der Leiter der Anlage.
Stattdessen bauen die Sicherheitskräfte vor allem auf die Präsenz der Gartenaufsicht. „Es soll sich herumsprechen, dass hier jemand aufpasst und dass der Botanische Garten kein Selbstbedienungsladen ist.“Die Gartenaufsicht wertet er bislang als Erfolg. „Das war absolut notwendig. Stammbesucher bestätigen uns das.“Dass sich generell die Situation verändert hat, merkt Winzenhörlein an den über die Jahre kontinuierlich steigenden Besucherzahlen. „Die Stadt und ihre Bevölkerung wachsen. Damit steigt der Druck auf Augsburgs Grünanlagen“, meint er. „Aber wir sind keine Grünanlage. Dagegen stemmen wir uns. Wir sind eine Einrichtung für Umweltbildung und PflanzenDas sammlung.“Dabei haben Besucher im Botanischen Garten durchaus ihre Freiheiten. Für sie stehen etwa 700 Gartenstühle und rund 30 Liegen bereit, aber sie können sich genauso gut auf eine Decke in den Rasen legen. „Man darf sich auch eine Brotzeit mitnehmen“, sagt Winzenhörlein. Doch sollte der Müll, wie Flaschen und Verpackungen, auch wieder mitgenommen werden.
„Wenn man den gesunden Menschenverstand einschaltet, hat man schon 90 Prozent der Besucherordnung erfüllt.“Die meisten verhielten sich auch tadellos. Es seien eben nur die Wenigen – übrigens jeglichen Alters. Das kann der Rentner sein, der sich mit einer Gartenschere an den Edelrosen bedient, oder die Mutter, die ihr Kind auf einen Baum klettern lässt. Ein Klassiker, so erzählt Konnertz, seien Besucher, die sich im Japangarten auf den Steinen vor dem Wasserfall fotografieren lassen. „Dass sie dafür erst durch Beete gehen müssen, ist ihnen egal.“
Als die Gartenaufsicht im April neu installiert wurde, waren die Sicherheitskräfte noch zu dritt. Inzwischen sind sie aufgrund personeller Veränderungen zu zweit. Das soll sich laut Winzenhörlein wieder ändern. Ohne sie, findet der Leiter des Botanischen Gartens, geht es einfach nicht mehr.
Die Besucherzahlen wachsen seit Jahren