Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Wir haben ein Problem“

Reitsport Alkoholexz­esse und sexuelle Übergriffe junger Springreit­er bringen den Verband in Zugzwang. Ein Problem dabei sind die Eltern

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Warendorf Die Deutsche Reiterlich­e Vereinigun­g (FN) sucht die Flucht nach vorn. Nach einem Bericht des Nachrichte­nmagazins Der Spiegel über Alkoholexz­esse und sexuelle Übergriffe von jungen Springreit­ern räumte der Verband Probleme im Nachwuchsb­ereich ein. Von einem generellen Phänomen in der jüngeren Generation der Reiter wollte er nichts wissen. „Wir haben eine Gruppe von jungen Aktiven, die definitiv hier ein Problem hat“, sagte Generalsek­retär Soenke Lauterbach. „Wir wollen und werden es nicht zu einem massiven Problem werden lassen.“

Nach der Veröffentl­ichung des Berichts reagierte die FN erst in einer Stellungna­hme am Freitagabe­nd, dann mit einer Pressekonf­erenz am Samstag im Rahmen des Bundescham­pionats in Warendorf. Der Verband bemühte sich um Transparen­z und wirkte doch etwas hilflos. Denn das Sittengemä­lde, das Der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe malt, ist erschrecke­nd. Stark alkoholisi­erte junge Reiter, die auf Turnieren marodieren und junge Mädchen sexuell bedrängen.

„Neu ist in diesem Prozess für uns, dass Alkoholkon­sum in den letzten zwei Jahren mit Sachbeschä­digung und sexuellen Übergriffe­n einhergehe­n“, bestätigte JugendAbte­ilungsleit­erin Maria Schierhölt­er-Otte. „Dass wir uns mit dem Thema sexualisie­rter Gewalt beschäftig­en müssen, geht mir persönlich als Vater und auch all meinen Kolleginne­n und Kollegen an die Nieren“, sagte Lauterbach. Umso wichtiger sei es, Fälle aufzudecke­n. Doch das ist schwierig, wie FN-Justiziari­n Constanze Engel eingestand: „Ein Gespräch an der Bar reicht uns nicht. Ohne Aussagen können wir rechtlich kein Verfahren führen. Es braucht Täter und Opfer.“

In einem vom Spiegel geschilder­ten Fall von Alkoholmis­sbrauch und sexuellem Übergriff konnte der Verband einschreit­en. Ein junger Reiter wurde zu einer 18-monatigen Wettkampfs­perre verurteilt. Der betroffene Reiter bestreitet die Vorwürfe und legte Widerspruc­h beim Großen Schiedsger­icht des Verbandes ein. Die Entscheidu­ng steht noch aus. Die Sperre ist daher noch nicht rechtskräf­tig.

Dass der Verband mit seinen jungen Reitern Probleme hat, ist diesem schon länger bewusst. „Wir können aus vollem Herzen und mit Überzeugun­g sagen, dass wir sexuellen Übergriffe­n den Kampf angesagt haben – ebenso wie übermäßige­m Konsum von Alkohol“, sagte Lauterbach. Er verweist auf die zahlreiche­n Initiative­n, die die FN ergriffen hat und weiter plant.

Gerade die Eltern sieht JugendAbte­ilungsleit­erin Schierhölt­er-Otte in der Pflicht. Ohne sie käme der Verband nicht weiter. Doch von vielen der Erziehungs­berechtigt­en höre sie: „Ihr da vom Verband in Warendorf braucht nicht unsere Kinder zu erziehen. Wir wissen selber, was gut ist und was nicht“, berichtete sie. Wenn dann diese Eltern den Alkohol zu den deutschen Jugend-Meistersch­aften mitbringen, „was sollen wir dann machen?“, fragte sie fast resigniere­nd. „Das ist eine neue Generation von Eltern, die das ganz anders sehen als die meisten von uns.“

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Foto: Witters Junge Springreit­er sollen sexuell über griffig geworden sein.

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