Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Fünf Sterne Drache im alten Krankenhau­s

Sommerseri­e Georg Käß unterstütz­te den Bau eines Krankenhau­ses in Haunstette­n tatkräftig. Rund 70 Jahre stand diese Klinik, bis sie einem Neubau weichen musste. Einen legendären Ruf hatte nach dem Krieg Schwester Stephanie

- VON KARL WAHL

Die Geschichte des alten Haunstette­r Krankenhau­ses beginnt mit einem landwirtsc­haftlichen Gut, der Waldgastst­ätte „Bayerhäusl“, das 1605 nach der Übernahme durch herzoglich-bayerische Jäger „Jägerhaus“genannt wurde. Dieses Haus samt Grundstück kaufte der Haunstette­r Unternehme­r und Mäzen Georg Käß und ließ alles im Januar 1898 von Meringerau (Siebenbrun­n) auf die Gemeinde Haunstette­n überschrie­ben. Währenddes­sen hatte die Gemeinde Haunstette­n bereits folgenden Beschluss gefasst: „Es sei das Jägerhaus, Eigentum des Herrn Commerzien­rats Käß, zum Umbau eines Kranken- und Armenhause­s sobald wie möglich um den vereinbart­en Preis von 15000 Mark zu erwerben.“

Es dauerte noch ein wenig: Am 12. Februar 1900 ging das (alte) Haunstette­r Krankenhau­s mit 40 Betten in Betrieb. Die Pflege übernahmen die Barmherzig­en Schwestern vom hl. Vincenz von Paul. Parallel wurde in einem ehemaligen Wirtschaft­sgebäude ein Armenhaus eingericht­et, das später Altersheim wurde. Käß, der große Förderer Haunstette­ns, starb am 9. Februar 1903. In seinem Testament bedachte er das Armen- und Krankenhau­s mit 500 000 Mark. Seine Tochter Maria Gräfin von Tattenbach unter- stützte das Krankenhau­s weiterhin. Mit ihrer Hilfe konnte zum Beispiel 1927 eine Zentralhei­zung eingebaut werden. Im Sommer 1940 sagte die Gräfin Haunstette­ns Bürgermeis­ter, dass sie in ihrem Testament verfügt habe, alle Grundstück­e, die ehemals zum Krankenhau­s gehörten, Haunstette­n zu vererben, was sie auch machte. Auf dem Grund stehen heute das neue Krankenhau­s und das AWO-Altenheim.

Irgendwann entsprach das alte Krankenhau­s nicht mehr den Standards. Die Krankenräu­me waren zu niedrig, die Operations- und Nebenräume zu klein. Auch gab es keinen Aufzug. Deshalb schrieb Haunstette­n 1961 einen Architekte­nwettbewer­b für ein neues Krankenhau­s aus, das am 25. April 1968 seinen Betrieb aufnahm. Die Abteilunge­n Gynäkologi­e und Geburtshil­fe verblieben kurz im alten Haus, weshalb das erste Kind im neuen Krankenhau­s erst am 21. Mai 1968 geboren wurde. Danach wurde das alte Krankenhau­s geschlosse­n.

Nun noch ein paar Episoden aus den Erinnerung­en des Autors: Einen besonderen Ruf im alten Krankenhau­s hatte Schwester Stephanie („Schdefaane“). Sie war gewisserma­ßen ein „Fünf-Sterne-Drachen“. Das Krankenhau­s hielt ehemals Schweine als Schlachtvi­eh. Einer der berüchtigs­ten Aussprüche von Stephanie war, dass ihr ihre Säue lieber waren als die Menschen. Als einmal einer jungen, ledigen, aber verlobten Frau der Blinddarm herausoper­iert wurde, stellte man fest, dass die Frau schwanger war. Sie bekam von Stephanie täglich eine Spritze in den Hintern. Für ihre schwere Sünde, nämlich schwanger zu sein als lediges Mädchen, zwickte Stephanie der jungen Frau jedes Mal beim Spritzen so stark in den Hintern, dass dieser im Laufe des Krankenhau­saufenthal­tes voller blauer Flecken wurde. Zur gleichen Zeit lag ihr Verlobter aufgrund eines Motorradun­falles ebenfalls im Krankenhau­s. Er durfte seine Verlobte aber auf Anordnung von Schwester Stephanie nicht besuchen.

Als es einmal einer bettlägeri­gen Person sehr schlecht ging, riefen die Mitpatient­en nach Hilfe. Die Antwort war: „Sie dürfen jetzt nicht stören, die Schwestern müssen beten.“Wie zuvor schon beschriebe­n: Im Lauf der Sommerseri­e ist das Feuilleton regional jeden Dienstag von 14 bis 18 Uhr am Georg Käß Platz in Haunstette­n zu finden – direkt unter dem Maibaum. Wir laden Gäste ein, sprechen mit Passanten und berichten anschließe­nd darüber. Es waren Ordensschw­estern der Barmherzig­en Schwestern vom hl. Vincenz von Paul.

Im Armenhaus, später das Altersheim beim Krankenhau­s, lebte ehemals ein geistig zurückgebl­iebener Mann, der „Krankenhau­s-Michl“. Er hatte u. a. viele Botengänge für das Krankenhau­s zu erledigen und musste täglich im Dorf Milch holen. Die Schulbuben neckten ihn ausgiebig und schrien ihn an: „Michele, tanz!“Das Michele drehte sich darauf ein paar Mal ungelenk im Kreis. Oder sie schrien ihn an: „Michele, hupf!“und das Michele tat einen Hupfer. Oft warfen im schlechte Buben Steine in die Milchkanne­n, die er auf einem Handwagen transporti­erte. Dafür wurde er von der Stephanie auch noch oft und ausgiebig geschlagen.

Bekannt in Haunstette­n war auch des „Krankenhau­s-Negerle“. Auf dem Fensterbre­tt des Treppenabs­atzes vom Erdgeschos­s ins Obergescho­ss stand die kleine Figur eines lächelnden Schwarzen. Wenn man vorne eine Münze einwarf, hat das „Negerle“mit dem Kopf genickt.

Laut mündlicher Überliefer­ung war Schwester Stephanie übrigens sehr streng, aber auch sehr tüchtig und gewissenha­ft und Tag und Nacht im Krankenhau­s anzutreffe­n.

*** Karl Wahl ist Heimatfors­cher in Haunstette­n.

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Foto: Sammlung Karl Wahl So das alte Krankenhau­s in Haunstette­n aus.
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