Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Zusser Geschichten aus der Geschichte
Kultur Seit zwei Jahren wird die Historie des ältesten Ortes im Landkreis Augsburg bei Rundgängen lebendig. Wir waren dabei in Zusmarshausen, das viel mehr bietet als Autobahn und Brauerei
Zusmarshausen Die Autobahn A8. Eine alteingesessene Brauerei. Eine bekannte Firma gleich am großen Kreisverkehr neben der Schnellstraße. Das dürfte Ortsunkundigen als Erstes einfallen, wenn der Name „Zusmarshausen“fällt. Wer weiß schon, dass sich dahinter auch die älteste urkundlich erwähnte Gemeinde im Landkreis Augsburg verbirgt? Ein Verkehrsknotenpunkt, an dem einmal Tag für Tag Dutzende von Reise- und Lastenkutschen ankamen, rasteten und sich mit frischen Pferden auf den Weg in die Metropolen der Welt machten. Ein Ort, an dem sich berühmte, gar gekrönte Häupter die Klinke in die Hand gaben.
Damit immer mehr Bescheid wissen, bietet der Kulturkreis „ZusKultur“seit zwei Jahren Führungen zu den wichtigsten historischen Stätten an. Diese Idee verfängt: Beim zweiten Termin heuer warteten gut 20 Geschichtsinteressierte schon vor dem Haus in der Augsburger Straße 11 auf Heinz Pomp, der als Marktführer Zusser Geschichte lebendig werden lässt.
Im Heimatmuseum startet der Rückblick auf bewegte Zeiten. Schon der Weg über die knarzende Holztreppe hinauf ins Dachgeschoß lässt historische Gefühle aufkommen. Beim ersten Blick auf die vielen Exponate wird klar, dass hinter Zusmarshausen viel mehr steckt als eine günstige Verkehrsanbindung. Die nämlich war für die Zusmarshauser immer schon beides: Fluch und Segen, wie Heinz Pomp an vielen Beispielen belegt.
Unter der Bezeichnung „Pontone“, der „Ort an der Brücke“taucht das heutige Zusmarshausen als römische Ansiedlung auf der wohl berühmtesten antiken Straßenkarte, der „Tabula Peutingeriana“auf. Die Römer haben vermutlich über die Donau und die Zusam Nachschub für ihre Siedlung an der Stelle des heutigen Zusmarshausen herangeschafft. Bei Grabungen hat man Münzen und Brennöfen gefunden, in denen Amphoren hergestellt wurden. Holzreste wurden datiert. Das Ergebnis: Die Bäume wurden im Jahr 79 nach Christus geschlagen.
Im 17. Jahrhundert wurde Zusmarshausen zur idealen Haltestelle für die Verkehrsströme zwischen Wien und Brüssel. Das Haus Thurn und Taxis war das Transportunternehmen der Habsburger und suchte verkehrsgünstig gelegene Orte für Posthaltereien. Eine Tagesreise von der Reichsstadt Augsburg entfernt wurde das heutige Hotel Post alle 4 bis 5 Stunden zur Anlaufstation von Extrapost-Kutschen.
Bis zu 70 mehrspännige Lastkutschen, dazu Postillione und Privatreisende kamen jede Woche im Vierseithof mitten im Ort an. Viel Arbeit und Verdienst, aber auch viel Unruhe und nicht immer nur braves Volk brachte der rege Verkehr in den Ort, beschreibt Pomp die aufre- Zeiten. Mindestens 150 Pferde hatte der Posthalter per Vertrag vorzuhalten, um die Kutschen mit frischen Gespannen ausstatten zu können.
Dafür gab es in der Post einen zweistöckigen Stall und im gegenüberliegenden Hof noch einmal eine Stallung für weitere 150 Pferde.
Die blutjunge Braut Marie Antoinette kam auf ihrem Weg von Wien zur Hochzeit mit König Ludwig dem XVI. nach Paris ebenso durch Zusmarshausen wie Kaiser Napoleon, der dort mit seinem Stab die Schlacht von Ulm vorbereitete. Vornehme Unterkünfte für gekrönte Häupter gab es ebenso wie ein dunkles Verlies für Gefangene auf weniger freiwilligen Reisen.
Unfreiwillig waren auch die vielen Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge in der Region, die das nationalsozialistische Regime für die Produktion seiner vermeintlichen Wunderwaffe, des Düsenjägers Me 262, ins Waldwerk Kuno im Scheppacher Forst verschleppt hatte. Karteikarten mit Namen von Zwangsarbeitern führen die menschenverachtende Kriegsmaschinerie des Dritten Reiches zum Greifen nah vor Augen.
Einen Steinwurf von der früheren Posthalterei entfernt steht das Zusmarshauser Schloss neben dem ehegenden maligen Amtsgericht, der heutigen Polizeistation. Ab 1505 diente es dem Vogt des Bischofs als Amtssitz, wurde später Gericht, dann Bezirksamt, schließlich zog das Forstamt dort ein. Nur ein paar Schritte weiter gibt es Interessantes zur Kirche zu erfahren.
Deren Turm stammt noch aus den Zeiten der Burg, die vor dem Gotteshaus über der Gemeinde thronte. Quer über die Straße steht die Brauerei Schwarzbräu, die den Landsknecht des Dreißigjährigen Krieges mit wehender Fahne als Erkennungszeichen hat. Auch hinter diesem Bild stehen viele Geschichten aus der Geschichte.