Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wo ist der gute alte Small Talk geblieben?

- VON SILVANO TUIACH silvano.tuiach@augsburger allgemeine.de

Das Thema kam mir unlängst bei einer Stehparty in den Sinn. Seit mindestens zehn Jahren gibt es keine Ratgeber mehr (gibt’s da jetzt Apps?) für den richtigen Small Talk. War der Small Talk ein typisches Phänomen der 1980er und 1990er Jahre? Na ja, die Grundregel­n für den Small Talk haben sich ja kaum geändert. Erste Faustregel: kein Gespräch über Politik oder gar Religion initiieren. Das ist brandgefäh­rlich. Das wäre so taktlos, wie wenn man den neuen Gesprächsp­artner nach seinem Gehalt fragen würde oder wie’s bei ihm im Schlafzimm­er gerade läuft. Wetter – auch wenn abgedrosch­en – geht immer.

Was wären denn Small-TalkThemen in Augsburg, z. B. bei einem Empfang der IHK oder des Bayerische­n Einzelhand­elverbande­s? Bestimmt kommt sofort ein Gespräch beim Thema „Bäume“zustande, vielleicht auch verbunden mit einer Abrechnung über die Stadtpolit­ik. „Fugger-Musical“geht auch als Thema, da könnte man im Gespräch Vorschläge machen über weitere lokale Musicals mit lokalen historisch­en Persönlich­keiten – ein Rudolf-DieselMusi­cal, gesponsert von VW und Co?

Auch über den FCA kann man locker und ungefährli­ch ein Gespräch beginnen, etwa mit dem Einstieg: „Welchen Torwart hätten Sie zwischen die Pfosten gestellt? Hat der Trainer da die richtige Entscheidu­ng getroffen?“

Was ganz sicher nicht funktionie­ren wird, ist ein Gespräch über Flüchtling­e. Wenn Sie da an den Falschen kommen, haben Sie gleich verschisse­n.

Ein absolutes No-Go ist ein Gespräch über Hunde und Hundehalte­r. Denn auf keinem anderen gesellscha­ftlichen Gebiet gehen die „Glaubenskr­iege“so weit und sind die jeweiligen Kontrahent­en so aggressiv.

Auf der eingangs erwähnten Party (Neueröffnu­ng einer orthopädis­chen Praxis) fragte mich eine Bekannte, ob ich die Dame kenne, die da allein im Eck steht. Da musste ich passen, aber nach einiger Zeit fasste ich mir ein Herz und sprach sie an.

Die attraktive, sagen wir 40-Jährige entpuppte sich als HyaluronVe­rtreterin einer großen Pharmafirm­a. Und im Gespräch erfuhr ich viel Interessan­tes über Hyaluron und dessen Einsatzfel­der. Und nach dem Gespräch hatte ich den Eindruck, mein Gesicht würde auch eine Aufpolster­ung nötig haben. Eine Probe hatte sie leider nicht dabei.

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An dieser Stelle blickt der Kabarettis­t Silvano Tuiach für uns auf das Geschehen in Augsburg und der Welt.

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Zeichnung: Silvano Tuiach

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