Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Das Ende eines langen Streits

- VON STEFAN KROG skro@augsburger allgemeine.de

können. „Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren“, sagt sie. Der Außenaufga­ng sei nicht nötig gewesen, so Hannen mit Verweis auf den innen liegenden leiterarti­gen Aufgang vom Erdgeschos­s zum ersten Stock. In einem Punkt sind sich Gegner und Alt-Augsburg-Gesellscha­ft immerhin einig: Den Turm für die Öffentlich­keit zu öffnen, sei eine gute Idee.

Berz, der im vergangene­n Jahr den Vorsitz der Alt-Augsburg-Gesellscha­ft übernahm, sagt, das Innere des Fünffinger­lesturms könne die mittelalte­rliche Augsburger Stadtgesch­ichte anschaulic­h machen. Andere Bauwerke aus der Zeit wie Vogelund Jakobertor sind nicht zugänglich. Der Aufstieg Augsburgs zur Handelsmet­ropole, der sich in der Errichtung prachtvoll­er Renaissanc­e-Bauten niederschl­ug, werde im Kontrast mit den wenigen Mittelalte­r-Denkmälern noch deutlicher.

Der Turm birgt laut Berz interes- sante Geschichte­n, die noch genauer erforscht werden müssten. Ein im Inneren gefundenes Fresko einer Kirche mit Doppelturm – möglicherw­eise handelt es sich um den Dom ohne den 1431 fertiggest­ellten Ostchor – könnte ein Hinweis sein, dass der Wehrturm in seiner heutigen Form älter ist als 1454. Der Turm mit seinen vier kleinen Wachtürmen an den Ecken war in ursprüngli­cher Form einmal ein Stadttor gewesen, das auf beiden Seiten von Stadtmauer­n mit Wehrgang umgeben war. Später wurde die Tornutzung aufgehoben, die Stadtmauer Ende des 19. Jahrhunder­ts abgebroche­n. In den 30er Jahren wurde eine zweite Mauerschal­e vor die ursprüngli­chen Wände gesetzt, um den Turm zu schützen. Relikte eines Fallgitter­s wie eine Winde im Dachstuhl oder die Führungssc­hlitze im Mauerwerk sind noch heute sichtbar. Ein Hingucker ist auch der mächtige Dachstuhl, der vom obersten Geschoss aus zu sehen ist.

In den vergangene­n Jahren nistedurch­setzen ten sich Tauben in dem Turm ein, die in den vergangene­n Wochen eingefange­n und andernorts ausgesetzt wurden. Die Alt-Augsburg-Gesellscha­ft plant, im Turm abgeschlos­sene Nist-Möglichkei­ten für Fledermäus­e und Dohlen einzuricht­en.

Berz hofft, dass die Öffnung des Fünffinger­lesturms auch ein Impulsgebe­r für mehr Aufmerksam­keit für die Augsburger Wallanlage­n ist. „Es geht um eine Fläche, die so groß wie der Siebentisc­hpark ist und Grün in der dicht bebauten Innenstadt bietet“, so Berz. Das Hochbauamt ist seit einigen Jahren dabei, die Reste der Stadtmauer abschnitts­weise zu sanieren. Zuletzt wurde die Bastion im Lueginslan­d neu hergericht­et. Es gehe aber nicht nur um Bauunterha­lt, sondern darum, die Stadtbefes­tigung und die Grünanlage­n besser zu pflegen und erlebbar zu machen. „Die Wallanlage­n sind etwas, das die Stadtteile verbinden sollte. Momentan geht man teils eher mit Unbehagen durch.“»Kommentar und Bayern O

Info Am 9. September ist der Fünffin gerlesturm an der Unteren Jakober mauer erstmals zugänglich. Führungen finden um 10, 12 und 14 Uhr statt. Für Kinder gibt es Führungen um 15 und 16 Uhr. Pro Führung können 15 Personen teilnehmen. Für Kinder ist ein Märchen wettbewerb rund um die Torfunktio­n, die heute nicht mehr ersichtlic­h ist, ge plant.

Als die Treppe am Fünffinger­lesturm vor neun Jahren errichtet wurde, beherrscht­e das Thema die Leserbrief­spalten dieser Zeitung. Hässlich oder angemessen modern, nötig oder unnötig – die Meinungen gehen bis heute auseinande­r. Die Diskussion führt zu nichts mehr: Die Treppe steht und sie hat eine Baugenehmi­gung. Auch der Bauausschu­ss des Stadtrates gab seinerzeit einstimmig grünes Licht für das Projekt. Damals wäre der richtige Zeitpunkt für Diskussion­en gewesen.

Aus heutiger Sicht wäre es gut gewesen, das Projekt der Bürgerscha­ft im Vorfeld intensiver vorzustell­en. Diesen Schuh muss sich die Alt-Augsburg-Gesellscha­ft anziehen, die es bis dato aber auch nicht gewohnt war, mit ihren Bemühungen um den Denkmalsch­utz Widerspruc­h zu provoziere­n.

Dass Teile der Politik angesichts des Bürgerprot­ests vor elf Jahren plötzlich „umfielen“, kann man sogar noch verstehen. Wenn man erkennen

Das Gezerre hätte man sich sparen können

muss, dass ein Beschluss der Meinung weiter Teile der Bevölkerun­g widerspric­ht, kann man ihn nochmals diskutiere­n, auch wenn die Grenze zum Populismus nicht eindeutig zu ziehen ist.

Doch es kam ein Punkt, an dem die Stadtregie­rung mit ihrem Vorgehen überzog. Spätestens nach dem Urteil des Verwaltung­sgerichtsh­ofs wäre es angesagt gewesen, mit den Treppenbau­ern eine Lösung zu finden. Inhaltlich war es von der Stadt ja richtig, den Bau in der ursprüngli­ch genehmigte­n Form zu verhindern, weil Fußgängern eine Gefahr gedroht hätte. Das jahrelange Gezerre vor Gericht trotz gültiger Baugenehmi­gung hätte man sich aber vermutlich mit keinem anderen Bauherren geliefert.

Lässt man die Diskussion über die Art der Treppe (innen oder außen) aber mal ganz beiseite, ist es eine Bereicheru­ng, den Turm von innen anschauen zu können. Es ist kein spektakulä­res Bauwerk, aber im Kontext einer Führung erzählt er von einem Kapitel der Stadtgesch­ichte, zu dem es wenig Anschauung­smaterial gibt.

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Fotos: Silvio Wyszengrad Ein Blick in das oberste Geschoss des Fünffinger­lesturms: An der Decke ist der mächtige offene Dachstuhl zu erkennen. Künftig soll das Denkmal für die Öffentlich­keit im Rah men von Führungen regelmäßig geöffnet werden.
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So sieht die Treppe am Fünffinger­les turm aus.
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