Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Das Ende eines langen Streits
können. „Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren“, sagt sie. Der Außenaufgang sei nicht nötig gewesen, so Hannen mit Verweis auf den innen liegenden leiterartigen Aufgang vom Erdgeschoss zum ersten Stock. In einem Punkt sind sich Gegner und Alt-Augsburg-Gesellschaft immerhin einig: Den Turm für die Öffentlichkeit zu öffnen, sei eine gute Idee.
Berz, der im vergangenen Jahr den Vorsitz der Alt-Augsburg-Gesellschaft übernahm, sagt, das Innere des Fünffingerlesturms könne die mittelalterliche Augsburger Stadtgeschichte anschaulich machen. Andere Bauwerke aus der Zeit wie Vogelund Jakobertor sind nicht zugänglich. Der Aufstieg Augsburgs zur Handelsmetropole, der sich in der Errichtung prachtvoller Renaissance-Bauten niederschlug, werde im Kontrast mit den wenigen Mittelalter-Denkmälern noch deutlicher.
Der Turm birgt laut Berz interes- sante Geschichten, die noch genauer erforscht werden müssten. Ein im Inneren gefundenes Fresko einer Kirche mit Doppelturm – möglicherweise handelt es sich um den Dom ohne den 1431 fertiggestellten Ostchor – könnte ein Hinweis sein, dass der Wehrturm in seiner heutigen Form älter ist als 1454. Der Turm mit seinen vier kleinen Wachtürmen an den Ecken war in ursprünglicher Form einmal ein Stadttor gewesen, das auf beiden Seiten von Stadtmauern mit Wehrgang umgeben war. Später wurde die Tornutzung aufgehoben, die Stadtmauer Ende des 19. Jahrhunderts abgebrochen. In den 30er Jahren wurde eine zweite Mauerschale vor die ursprünglichen Wände gesetzt, um den Turm zu schützen. Relikte eines Fallgitters wie eine Winde im Dachstuhl oder die Führungsschlitze im Mauerwerk sind noch heute sichtbar. Ein Hingucker ist auch der mächtige Dachstuhl, der vom obersten Geschoss aus zu sehen ist.
In den vergangenen Jahren nistedurchsetzen ten sich Tauben in dem Turm ein, die in den vergangenen Wochen eingefangen und andernorts ausgesetzt wurden. Die Alt-Augsburg-Gesellschaft plant, im Turm abgeschlossene Nist-Möglichkeiten für Fledermäuse und Dohlen einzurichten.
Berz hofft, dass die Öffnung des Fünffingerlesturms auch ein Impulsgeber für mehr Aufmerksamkeit für die Augsburger Wallanlagen ist. „Es geht um eine Fläche, die so groß wie der Siebentischpark ist und Grün in der dicht bebauten Innenstadt bietet“, so Berz. Das Hochbauamt ist seit einigen Jahren dabei, die Reste der Stadtmauer abschnittsweise zu sanieren. Zuletzt wurde die Bastion im Lueginsland neu hergerichtet. Es gehe aber nicht nur um Bauunterhalt, sondern darum, die Stadtbefestigung und die Grünanlagen besser zu pflegen und erlebbar zu machen. „Die Wallanlagen sind etwas, das die Stadtteile verbinden sollte. Momentan geht man teils eher mit Unbehagen durch.“»Kommentar und Bayern O
Info Am 9. September ist der Fünffin gerlesturm an der Unteren Jakober mauer erstmals zugänglich. Führungen finden um 10, 12 und 14 Uhr statt. Für Kinder gibt es Führungen um 15 und 16 Uhr. Pro Führung können 15 Personen teilnehmen. Für Kinder ist ein Märchen wettbewerb rund um die Torfunktion, die heute nicht mehr ersichtlich ist, ge plant.
Als die Treppe am Fünffingerlesturm vor neun Jahren errichtet wurde, beherrschte das Thema die Leserbriefspalten dieser Zeitung. Hässlich oder angemessen modern, nötig oder unnötig – die Meinungen gehen bis heute auseinander. Die Diskussion führt zu nichts mehr: Die Treppe steht und sie hat eine Baugenehmigung. Auch der Bauausschuss des Stadtrates gab seinerzeit einstimmig grünes Licht für das Projekt. Damals wäre der richtige Zeitpunkt für Diskussionen gewesen.
Aus heutiger Sicht wäre es gut gewesen, das Projekt der Bürgerschaft im Vorfeld intensiver vorzustellen. Diesen Schuh muss sich die Alt-Augsburg-Gesellschaft anziehen, die es bis dato aber auch nicht gewohnt war, mit ihren Bemühungen um den Denkmalschutz Widerspruch zu provozieren.
Dass Teile der Politik angesichts des Bürgerprotests vor elf Jahren plötzlich „umfielen“, kann man sogar noch verstehen. Wenn man erkennen
Das Gezerre hätte man sich sparen können
muss, dass ein Beschluss der Meinung weiter Teile der Bevölkerung widerspricht, kann man ihn nochmals diskutieren, auch wenn die Grenze zum Populismus nicht eindeutig zu ziehen ist.
Doch es kam ein Punkt, an dem die Stadtregierung mit ihrem Vorgehen überzog. Spätestens nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs wäre es angesagt gewesen, mit den Treppenbauern eine Lösung zu finden. Inhaltlich war es von der Stadt ja richtig, den Bau in der ursprünglich genehmigten Form zu verhindern, weil Fußgängern eine Gefahr gedroht hätte. Das jahrelange Gezerre vor Gericht trotz gültiger Baugenehmigung hätte man sich aber vermutlich mit keinem anderen Bauherren geliefert.
Lässt man die Diskussion über die Art der Treppe (innen oder außen) aber mal ganz beiseite, ist es eine Bereicherung, den Turm von innen anschauen zu können. Es ist kein spektakuläres Bauwerk, aber im Kontext einer Führung erzählt er von einem Kapitel der Stadtgeschichte, zu dem es wenig Anschauungsmaterial gibt.