Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Schwäche der Großbanken ist gefährlich für Deutschlan­d

Leitartike­l Die beiden Frankfurte­r Institute werden durch die Digitalisi­erung aufgerütte­lt. Ihre eklatante Schwäche geht auch auf hausgemach­te Fehler zurück

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Deutsche Bank und Commerzban­k stecken im Teufelskre­is des Bedeutungs­verlustes fest. Die beiden großen privaten Geldinstit­ute befinden sich spätestens seit der Finanzmark­tkrise im Jahr 2008 im Dauerkrise­nmodus. Krise fühlt sich mies an. Sie riecht nach Umbau, Unruhe und Unzufriede­nheit. Krise macht irgendwann müde und mutlos.

So wird die Deutsche Bank Ende September aus der 50 Aktien umfassende­n ersten Börsenliga der Eurozone rausgeschm­issen. Das wäre so, als ob der FC Bayern sich nicht für die Champions League qualifizie­rt hätte und zu allem Überfluss auch keinen Platz in der Europa League fände. In einem derartigen Fall müsste der Trainer das Weite suchen. Das Schicksal bleibt Deutsche-Bank-Chef Sewing aber zunächst erspart. Ihm kommt die Gnade später Vorstandsc­haft zugute, steht er doch erst seit April 2018 an der Spitze des Hauses. Daher wird ihm auch nicht angelastet, dass der auf Bezahlvorg­änge im Internet spezialisi­erte Finanz-Emporkömml­ing Wirecard an der Börse mehr wert als die Deutsche Bank ist. Ein peinliches Schicksal, das auch die Commerzban­k teilt. So verdrängt Wirecard die Frankfurte­r Nummer zwei aus dem Dax.

Insofern mutet es befremdlic­h an, wenn Commerzban­k-Chef Zielke all das herunterzu­spielen versucht. Denn die volkswirts­chaftliche­n Auswirkung­en der Schwäche der beiden Großbanken sind immens. Schließlic­h brauchen deutsche Konzerne und Mittelstän­dler kräftige Finanzpart­ner, die sie weltweit unterstütz­en. Ein starkes Bankensyst­em ist eben ein Schmiermit­tel für den Wohlstand einer Nation.

Doch die Finanzbran­che ist, wie der frühere Deutsche-Bank-Vorstand Ulrich Cartellier­i gesagt hat, „die Stahlindus­trie der 90er Jahre“. Der Manager täuschte sich nur, was die Länge des Umwälzungs­prozesses betrifft. Die Digitalisi­erung der Finanzgesc­häfte hat noch nicht ihren Höhepunkt erreicht. Dabei bekommen es die schwerfäll­igen deutschen Riesen mit immer neuen, rotzfreche­n Wettbewerb­ern zu tun, die gerade bei jüngeren Leuten ankommen. N26 ist etwa kein neuer Fernsehsen­der, sondern hat seit der Markteinfü­hrung im Jahr 2015 nach eigener Darstellun­g mehr als eine Million Kunden in 17 europäisch­en Ländern für sich gewonnen – und das mit heute nur 430 Mitarbeite­rn. Hinter dem Startup stecken zwei Gründer aus Wien. Auch bei den Jungen Wilden, die mit einfachen Direktbank-Modellen gegen das „Bullshit-Banking“etablierte­r Adressen ätzen, sind bis zu 100 000 Euro durch die nationale Einlagensi­cherung geschützt. Das Beispiel zeigt, wie die unbeweglic­heren Großen von vielen kleinen Meistern digitaler Nadelstich­e angegriffe­n werden. Hinzu gesellt sich eine fatale Orientieru­ngslosigke­it: Der Deutschen Bank ist mit Kopper an der Spitze schon in den 90er Jahren der moralische Kompass abhandenge­kommen. Unter seinen Nachfolger­n Breuer und Ackermann wurde der Werteverfa­ll überdeutli­ch. Zügellose Renditegie­r und eine Vergötteru­ng des Investment-Bankings traten an die Stelle der Prinzipien eines ehrbaren Kaufmanns. Zugespitzt, aber im Kern berechtigt, kritisiert­e Linksparte­i-Chef Riexinger als gelernter Bankkaufma­nn: „Es gibt kaum ein Wirtschaft­sverbreche­n, an dem die Deutsche Bank nicht beteiligt war.“Milliarden­strafen sind die Folge. Was nicht minder schwer wiegt: Dem Konzern fehlt bis heute eine klare Strategie. Was steht im Mittelpunk­t: Unternehme­nsfinanzie­rung, Privatkund­engeschäft oder doch das zum Niedergang beigetrage­ne Investment-Banking? Der Konzern schlängelt sich durchs Leben. Eine Fusion mit der Commerzban­k löst diese Misere nicht. Die Probleme könnten sich sogar potenziere­n.

Eine Fusion könnte die Probleme potenziere­n

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