Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wandelt Jogi auf Bertis Spuren?

- VON FLORIAN EISELE eisl@augsburger allgemeine.de

Es gibt nicht viele Dinge, die den ehemaligen Nationaltr­ainer Hans-Hubert Vogts und den aktuellen DFB-Coach Joachim Löw verbinden – außer einem zweisilbig­en Spitznamen. Hier der mürrische Eigenbrötl­er vom Niederrhei­n mit dem lichten Haupthaar, dort der cabriofahr­ende schwarz geschopfte Nivea-Werbeträge­r aus dem Schwarzwal­d. Auch fußballeri­sch führt beide nur wenig zusammen: Während Berti als Verteidige­r seinen Dienst für Borussia Mönchengla­dbach unspektaku­lär, aber äußerst erfolgreic­h verrichtet­e und sich so den Ehrentitel Terrier verdiente, schaffte es Stürmer Jogi mit vielen Toren zwar zu Zweitliga-Ehren, aber nur zu bedingter Bundesliga-Reife. Als Nationaltr­ainer setzte sich der Kontrast fort: Vogts rumpelte sich zwar zum EM-Titel 1996, stand aber fast während seiner gesamten DFB-Zeit in der Kritik. Jogis offensiver Ballbesitz­Fußball mündete stets mindestens ins Halbfinale eines Turniers und brachte 2014 sogar den WM-Titel. Böser Berti, lieber Jogi? So war es bislang vielleicht.

Mittlerwei­le stellen sich erste Parallelen ein. Löw dürfte nun eine Vorstellun­g dessen bekommen, wie es sich anfühlt, Berti zu sein. Nach dem WM-Debakel mehren sich die kritischen Stimmen gegen ihn – und wie bei Vogts gleiten sie zunehmend ins Persönlich­e ab. Löw kündigte nach der WM-Blamage einen Paradigmen­wechsel an. Er nahm Abstand von seiner Idee des Ballbesitz-Fußball, fordert nun mehr Disziplin ein.

So war es auch bei Vogts, der nach der WM 1998 so schwer in der Kritik stand wie noch niemals zuvor. Im Viertelfin­ale der WM in Frankreich war Deutschlan­d mit einer in die Jahre gekommenen Truppe von Kroatien mit 0:3 vermöbelt worden. Zur Überraschu­ng vieler Beobachter machte Vogts danach weiter und sprang über seinen Schatten: Bayern-Star Stefan Effenberg, nach seiner Stinkefing­er-Affäre 1994 eine Persona non grata beim DFB, wurde zum Comeback überredet. Es war eine kurze Rückkehr: Gegen den Fußballzwe­rg Malta gelang im September ein 2:1-Sieg, gegen Rumänien nur ein 1:1. Es waren auch die letzten beiden Spiele von Berti Vogts als Nationaltr­ainer. Er trat zurück.

20 Jahre später ist die Konstellat­ion für Jogi Löw ähnlich: Gegen Frankreich am Donnerstag und Peru am Sonntag wird er nicht nur an den Ergebnisse­n gemessen werden. Sollte die Nationalma­nnschaft ähnlich lethargisc­h über den Rasen schlurfen wie bei der WM in Russland, könnte es zum ersten Mal eine Parallele zwischen Vogts und Löw geben und Jogi muss sich eingestehe­n, statt eines Neuanfangs eine Bauchlandu­ng hingelegt zu haben.

Wenn Löws Neustart tatsächlic­h nur ein „Weiter so“mit minimalen Änderungen sein sollte, eint die beiden Trainer bald mehr, als Löw lieb sein dürfte.

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Joachim Löw
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Berti Vogts
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