Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Trinker verprügelt Senior am Kö
Justiz Das Amtsgericht verurteilt einen 49-Jährigen wegen Körperverletzung. Was an dem Nachmittag damals geschah
Ein Mann schlägt einem anderen mehrfach ins Gesicht, stößt ihn zu Boden, wird angezeigt und letztlich vom Gericht wegen Körperverletzung zu einer Haftstrafe von sieben Monaten verurteilt. Insofern nichts Ungewöhnliches, was sich jetzt vor dem Amtsgericht zutrug. Ungewöhnlich sind aber die Begleitumstände der Tat vom Mai dieses Jahres. Ein 75-jähriger Mann läuft da nachmittags mit seinem fünfjährigen Sohn über den Königsplatz. Er beschwert sich bei einem ihm unbekannten Mann der Kö-Szene, er solle mit seiner Zigarette verschwinden, um den Luftballon des Buben nicht zu beschädigen.
Der so Gescholtene, der 49-jährige Angeklagte, tritt dem Buben in den Hintern, sodass dieser hinfällt. Dann verpasst er dem Vater Faustschläge ins Gesicht, stößt ihn zu Boden und schlägt ihm zuletzt mit einer Glasflasche in den Rücken. Diesen Tatbestand hatte der Geschädigte seinerzeit bei der Polizei angezeigt, die entsprechende Hinweise dafür vorfand und dokumentierte.
So lautete jetzt auch die Anklageschrift gegen den 49-Jährigen, einen gelernten Schweißer aus Augsburg. Und der – nach eigenen Angaben alkoholabhängig seit seinem 14. Lebensjahr und inzwischen drogenabhängiger Konsument von sogenannten Kräutermischungen – räumt bei seiner Vernehmung ein, jemanden geschlagen zu haben. Seit er zehn Tage zuvor aus dem Gefängnis entlassen worden war, sei er nahezu ununterbrochen „dicht“gewesen, er habe auch einen rosa Elefanten geschlagen haben können, so der Angeklagte. An ein Kind könne er sich überhaupt nicht erinnern.
Dann ist der geschädigte 75-Jährige als Zeuge an der Reihe. Aber der kann sich an so gut wie gar nichts mehr erinnern. „Olabilir“sagt er immer wieder auf türkisch zum Dolmetscher, „kann sein“. Ja, er sei verletzt worden damals am Königsplatz, aber ob es der Angeklagte war – „olabilir“. Ob sein Sohn getreten worden war oder von selber stürzte? „Olabilir“. Ob der Angeklagte der Täter war oder jemand anderes? Er könne sich nicht mehr erinnern. Richterin Ortrun Jelinek und Staatsanwältin Simone Schönberger wirken irritiert. Dass jemand, Geschädigter oder Zeuge, vor Gericht wortreich und in allen Einzelheiten schildert, was ihm angetan worden sei, kommt immer wieder vor. Dass sich aber jemand als Geschädigter und Anzeigenerstatter später vor Gericht selbst auf mehrfache Nachfrage hin an praktisch nichts mehr erinnern kann, ist ungewöhnlich.
Zwei weitere Zeugen bestätigen die Rangelei auf dem Königsplatz, bei der der offenbar alkoholisierte oder unter Drogen stehende Angeklagte den älteren Herrn geschlagen habe. Die Tat an einem Kind hat niemand beobachtet. Entsprechend wird dieser Anklagepunkt fallengelassen. Was bleibt, ist nach Einschätzung von Staatsanwältin Schönberger, Rechtsanwalt Andreas Boukai und Richterin Jelinek die vorsätzliche Körperverletzung. Am Ende folgt die Richterin dem Plädoyer der Staatsanwältin und verurteilt den Angeklagten zu sieben Monaten Freiheitsstrafe. Eine Aussetzung zur Bewährung komme nicht infrage. Sie sieht die Tat gegenüber dem 75-Jährigen als erwiesen an. Es sind auch die 14 Vorverurteilungen des Angeklagten seit 1985, die ihm trotz seines Geständnisses zusätzlich zur Last wurden. Immer wieder war er dabei wegen Körperverletzung „einschlägig“auffällig. Dann entlässt die Richterin den Angeklagten aus seiner inzwischen viermonatigen Untersuchungshaft in Freiheit. Nun wartet bereits ein nächstes Verfahren auf ihn.