Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Verkehr in Augsburg bleibt vorerst auf dem Boden
Mobilität In München wird der Bau einer Seilbahn zur Entlastung einer Hauptverkehrsstraße diskutiert. Pläne für ein anderes Projekt gab es in Augsburg auch schon einmal. Warum Baureferent Gerd Merkle sie für untauglich hält
München denkt darüber nach, Toulouse in Frankreich baut gerade und in Süd- und Mittelamerika setzen mehrere Städte die Seilbahn schon als öffentliches Nahverkehrsmittel ein. Eine Seilbahn könne eine kreative Idee sein, Verkehrsinfarkte zu verhindern, so Verkehrsministerin Ilse Aigner zu den Überlegungen für eine 4,5 Kilometer lange Seilbahn über dem stauträchtigen Frankfurter Ring in München, die nun mit einer Machbarkeitsstudie konkretisiert werden sollen.
Für Augsburg hält Baureferent Gerd Merkle (CSU) eine Seilbahn hingegen für einen sinnlosen Ansatz. „Das macht nicht einmal in der Bürgermeister-Ackermann-Straße Sinn“, so Merkle. Wie berichtet gibt es bei der Trassierung der geplanten Linie 5 massive Probleme an der Listle-Kreuzung. In der Überlegung ist deshalb, die dortigen Abbiegespuren zu durchgehenden Autospuren zu verlängern, sodass die Straße sechsspurig würde.
Merkle gibt aber unter anderem zu bedenken, dass die Zahl der Haltestellen mit einer Seilbahn sehr begrenzt sei, wenn eine akzeptable Geschwindigkeit gehalten werden soll. Die Linie 5 werde im Abschnitt der Ackermann-Straße fünf Haltestellen haben. Für Augsburg mit seinen im Gegensatz zu lateinamerikanischen Städten überschaubaren Steigungen sehe er insgesamt keinen Anwendungsbereich, so Merkle. Denn in Sachen Abgasfreiheit sei die Tram der Seilbahn ebenbürtig. Einziger Vorteil wäre die geringe Lautstärke, die aber mit erheblichen Eingriffen ins Stadtbild erkauft werden müsste. „Die Masten müssten hoch genug sein, dass niemand in ein Schlafzimmer drunter schauen kann.“In München gehe es um Höhen von 50 bis 60 Metern mit Masten und Betontürmen als Haltestellen.
In Deutschland gibt es aktuell zwei Stadtseilbahnen, nämlich in Koblenz und Berlin – sie wurden im Zuge von Gartenschauen erstellt. Auch München setzte zur Gartenschau 2005 auf eine Kabinenbahn, ebenso wie Hannover zur Expo 2000. In Hamburg stoppten die Bürger ein entsprechendes Projekt per Entscheid, in Wuppertal wird seit Jahren darüber diskutiert.
Dass urbane Seilbahnen inzwischen verstärkt diskutiert werden, liegt an mehreren Faktoren. Die Verkehrsprobleme in deutschen Städten werden immer drängender und technisch gesehen sind Seilbahnen relativ einfach zu bauen. Und auch die Seilbahnhersteller, allen voran der Weltmarktführer Doppelmayr aus Vorarlberg und der Südtiroler Konkurrent Leitner, treiben ihre Transportsparten voran, weil in den Alpen kaum noch neue Liftanlagen gebaut werden. Als machbar gelten maximal Längen von fünf Kilometern, zumal die Ge- schwindigkeit bei Umlaufseilbahnen auf etwa 25 Kilometer pro Stunde begrenzt ist. Bei diesem in Städten gängigsten Typ kommt alle paar Sekunden eine Gondel. Zum Ein- und Aussteigen werden die Kabinen in den Stationen ausgekuppelt, sodass sie mit geringer Geschwindigkeit laufen.
In Augsburg wurden dabei vor 20 Jahren schon einmal Pläne für den Bau einer Seilbahn diskutiert. Damals warb eine Unternehmergruppe rund um Immobilien-Geschäftsmann Anton Lotter für den Bau einer Kabinenbahn zwischen CityGalerie und Maximilianstraße. „Bergstation“hätten das Limbächerhaus (heute Antoniushof) oder die inzwischen aufgefüllte Baulücke neben dem Capitol sein können. „Das wäre auch heute noch interessant: Leute könnten in der City-Galerie parken und dann in die Innenstadt fahren“, sagt Lotter auch im Hinblick auf die Abgassituation in der Innenstadt. „Und es wäre einfach eine Attraktion.“
Doch schon damals zeigte die Politik kein Interesse, unter anderem weil die Gondeln über Privathäusern der Altstadt geschwebt wären. Auch ein zweiter Vorstoß des Altstadt-Einzelhandels, der sich heute angesichts des regen Fußgängerverkehrs zwischen Einkaufszentrum und Innenstadt wohl nicht mehr für eine Seilbahn einsetzen würde, blieb ohne Widerhall – die Stadtpolitik blieb lieber auf dem Boden und setzte auf ein Wegleitungs-System. Merkle gibt zu bedenken, dass ein Betonbau in der Maximilianstraße in der Höhe des MoritzkirchenTurms als Endpunkt für die Seilbahn kaum vorstellbar wäre.
Tourismusdirektor Götz Beck könnte hingegen einer Seilbahn durchaus etwas abgewinnen. Für Gäste wäre sie eine Attraktion, auch im Zusammenhang mit der Welterbe-Bewerbung, wenn Besucher etwa das Kanalsystem und den Höhenunterschied zwischen Alt- und Innenstadt von oben wahrnehmen könnten. Es lohne sich auf jeden Fall, die Diskussion über eine Seilbahn zu führen. In Koblenz werde die Bahn nun wohl dauerhaft erhalten bleiben, weil sie „die neue Hauptattraktion“in der Stadt sei. Das solle zu denken geben, vor allem weil die Bahn auch eine Nahverkehrsaufgabe wahrnehmen könnte. „Wir haben heute andere Gegebenheiten als vor 15 oder 20 Jahren. Es gibt nicht nur die CityGalerie, sondern das ganze Textilviertel hat sich entwickelt mit neuen Wohnungen, Studentenwohnheim, Textilmuseum und der geplanten Außenstelle der Landeszentrale für Politische Bildung im Glaspalast“, so Beck. Dies müsse man bei der Thematik berücksichtigen.