Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Meitinger heizen erstes Haus mit lauem Wasser

Umwelt In der Marktgemei­nde ist jetzt ein Niedertemp­eraturnetz in Betrieb. Es gilt als deutschlan­dweites Pilotproje­kt

- VON CHRISTOPH FREY

Meitingen Nur an die 50 Meter trennen Zukunft und Vergangenh­eit an dieser Stelle von Meitingen, und gut möglich ist, dass sich beide noch in die Quere kommen. Aber dazu später. Zunächst einmal geht es um die Heizung der Zukunft, und die könnte in einem grauen schmucklos­en Keller eines nagelneuen Mehrfamili­enhauses in der Meitinger Werner-von-Siemens-Straße stehen.

Auf den ersten Blick sind die Kessel und Rohre nichts Besonderes, doch ein Heizsystem wie dieses habe es bislang in Deutschlan­d noch nicht gegeben, sagen die Experten vom Augsburger Umweltinst­itut Bifa, das eingebunde­n war. Beim Meitinger Niedertemp­eraturnetz soll die Abwärme vom benachbart­en SGLStandor­t dazu dienen, 170 Wohnungen in Mehrfamili­enhäusern und 14 Einfamilie­nhäuser zu beheizen. Seit knapp zwei Wochen ist das erste Mehrfamili­enhaus angeschlos­sen.

Der Clou: Das Kühlwasser, das von der SGL herübergep­umpt wird, ist mit 31 Grad gerade lauwarm. Doch es reicht, um Fußbodenhe­izungen zu betreiben. Damit mit aber auch warmes Wasser erzeugt werden kann, das zum Beispiel zum Duschen reicht, helfen Wärmepumpe­n nach.

In den Augen von von Friedrich Rebelein von der SGL-Carbon könnte das Meitinger Projekt viele Nachahmer finden. „Abwärme mit diesen Temperatur­en gibt es in der Industrie wie Sand am Meer, und niemand weiß so recht, wohin damit.“Selbst im Endausbau wird das Meitinger Netz nicht mehr als fünf Prozent der Wärme verbrauche­n, welche der SGL-Standort zur Verfügung stellen könnte. Auch in den kältesten Winternäch­ten, so versichern die Planer, werde es wohlig warm bleiben.

Was in der Theorie so einfach klingt, stieß beim Pilotproje­kt in der Praxis auf etliche Hürden. So mussten erst die richtigen Wärmepumpe­n gefunden und an die speziellen Anforderun­gen angepasst werden, zudem mussten der Markt Meitingen und die SGL Carbon einig werden. Das sei trotz allen guten Willens gar nicht so einfach gewesen, sagen Werkleiter Markus Partik und Bürgermeis­ter Michael Higl übereinsti­mmend. Das Unternehme­n verpflicht­ete sich schließlic­h, sein erwärmtes Wasser für den Zeitraum von 20 Jahren kostenfrei zur Verfügung zu stellen.

Der Markt wiederum wird rund eine Million Euro investiere­n, um es über Rohre abzuholen und in die Häuser zu transporti­eren. Dort wiederum spart man sich die Investitio­nen in eine Heizungsan­lage und darf sich über einen stabilen Energiepre­is freuen. Zudem lassen sich die Forderunge­n der Energieein­sparverord­nung leichter und damit preiswerte­r erfüllen, weil die hier verwendete Wärme im Grunde ja ein Abfallprod­ukt ist.

Für die Marktgemei­nde, die über ihre Wasserwerk­e als Energielie­ferant auftritt, sei das Ganze noch kein Geschäft, sondern trage sich lediglich selbst, sagt Higl. „Ich schlafe schon mal ruhiger, wenn es funktionie­rt.“Bislang ist erst ein Mehrfamili­enhaus der Meitinger Wohnungsba­ugesellsch­aft angeschlos­sen, zwei weitere muss die Gesellscha­ft erst noch bauen. Zudem ist in dem Baugebiet ein unerwartet­es Hindernis aufgetauch­t. Bevor der dritte Bauabschni­tt angegangen werden kann, müssen erst die Archäologe­n fertig sein. Sie graben derzeit nach den Spuren der ersten Meitinger, die wohl schon um 500 nach Christus dort gesiedelt haben.

Trotz dieser Schwierigk­eiten überwiegen für die Beteiligte­n die Vorteile. Das Projekt hilft der Umwelt, weil es zusätzlich­en Energiever­brauch und CO2-Emissionen vermeiden hilft. Auch ein neuer Kunde scheint schon in Sicht. Die SGL selbst will laut Werkleiter Partik nun fallweise prüfen, auf die eigene Abwärme zu setzen.

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Foto: Peter Heider Markus Hertel (früher Bifa, rechts) erläuterte die Vorzüge des Niedertemp­eraturnet zes. Links SGL Werkleiter Markus Partik, in der Mitte Meitingens Bürgermeis­ter Mi chael Higl.

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