Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Mutter
Redensarten sind klassischer Stoff für Wiederkäuer. Geflügelte Worte umschwirren uns wie Wespen im Spätsommer: allgegenwärtig, nervig, aufdringlich. Sie gehen einem irgendwann auf den Keks, um es wirkungsgleich mit einer abgenudelten Phrase zu sagen. Wenn der Fliesenleger mit „Wir schaffen das“wirbt und der Kumpel die neue Frisur mit „Alter Schwede!“kommentiert, fühlt man sich – Ende Gelände – wie in einer Echokammer. Und jetzt also hat Horst Seehofer, der semantische Springteufel der deutschen Politik, der schmunzelnde Lanzenbrecher allen Schwadronierens, der QuatschiQuatschi-Querulant, dort wieder hineingeschmutzelt in diese Echokammer.
Die Migrationsfrage, sagt der Bundesinnenminister, CSU-Übervater und Masterplaner, sei die „Mutter aller politischen Probleme“. Mamma mia! Das ist ein ebenso aufgeladenes wie ausgeleiertes Wort. Quelle ist Saddam Hussein, der 1990 von der „Mutter aller Schlachten“sprach. In der Folge ist jene Übermutter aller Phrasen bis zur Unkenntlichkeit abgewandelt, abgenutzt, überstrapaziert und verhackstückt worden. Geflügeltes Wolpertinger-Wort. Mutter aller Krankheiten, Mutter aller Fragen, Mutter aller Qualen, Mutter aller Monster, Mutter aller Schweinezyklen, Mutter aller Boßelturniere , Mutter aller Blasen, Mutter aller Bomben, Mutter aller Derbys, Mutter aller Ausraster…
Yes we can. Seehofer, der Sphinx, dürfte die mehr olle als originelle Formulierung, die unweigerlich als Spitze gegen Angela Merkel gedeutet wurde, womöglich in synaptischer Rückkoppelung auf „Mutti“entfleucht sein. Mutti = Merkel. Als Mutti verspotten vaterländische Grenzgänger die Kanzlerin, der sie unterstellen, Flüchtlinge zu bemuttern statt zu vertreiben.
Saddam Husseins „Mutter aller …“liegt übrigens ziemlich quer zur ursprünglichen Würde der Mutter in unserer Muttersprache. Da badet allenfalls das Muttersöhnchen leicht abschätzig beleumundet mutterseelenallein in Schmach und Schmäh. Ansonsten mütterlicherseits nur Achtbares – vom Mutterwitz über Muttererde, Muttertag, Mutterschiff, Mutteruhr und Muttergottes bis zu Mutterherz, Mutterschutz und Mütterrente.
Das letzte Wort in der Angelegenheit hat Theodor Fontane. „Väter sind eigentlich nur dazu da, um schließlich in Widerspruch mit ihren Lieblingssätzen zu geraten.“