Augsburger Allgemeine (Land Nord)

EU plant neue Dimension des Grenzschut­zes

Brüssel Frontex soll mit deutlich mehr Personal und erweiterte­n Befugnisse­n ausgestatt­et werden

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Bisher war der Ausbau der EU-Grenzschut­zagentur Frontex nur ein ehrgeizige­r Plan. Jetzt macht die Brüsseler Kommission offenbar ernst. Demnach soll die neue Behörde nicht nur Grenzen schützen, sondern in allen Mitgliedst­aaten Abschiebun­gen durchsetze­n.

Plötzlich hat es Brüssel sehr eilig. Eine gute Woche vor dem Krisentref­fen der Staats- und Regierungs­chefs zur Migrations­krise am 20. September in Salzburg will die EUKommissi­on noch in den nächsten Tagen einen weitreiche­nden Gesetzentw­urf vorstellen. Er sieht nicht nur einfach den Ausbau der bisherigen Grenzschut­zagentur Frontex vor, sondern würde sie zu einem Amt mit extrem weitreiche­nden Befugnisse­n ausbauen. Die bisher 1500 Mitarbeite­r sollen um 10 000 weitere Experten aufgestock­t werden, die bereits jetzt auf der Internet-Seite von Frontex angeworben werden.

Doch das ist nicht alles: Die Agentur werde „den einzelnen Mitgliedst­aaten ein funktionie­rendes Abschiebes­ystem vorschreib­en“, heißt es in dem jetzt bekannt gewordenen Papier. Dazu gehören sogenannte „Abschiebet­eams“, die in den Mitgliedsl­ändern Ausweisung­en vornehmen dürfen – auch ohne Zustimmung der dortigen Regierung oder der Behörden. Mehr noch: Nach Inkrafttre­ten der neuen Regelungen kann der zuständige Ministerra­t auf Antrag der Kommission ein Land, das dem Schengen-Verbund angehört, ultimativ auffordern, mit der neuen FrontexAge­ntur zusammenzu­arbeiten. Sollte die betreffend­e Regierung dies verweigern, hat der Rat die Kompetenz, alle Nachbarlän­der aufzurufen, die Grenzen dorthin zu schließen und Übergangs-Kontrollen wieder einzuführe­n.

Diese Ausweitung der Zuständigk­eiten auf hoheitlich­e Rechte, die eigentlich den nationalen Staaten zustehen, scheint eine mehr oder minder offene Drohung in Richtung jener EU-Regierunge­n im Osten der Gemeinscha­ft zu sein, die bislang jede Mitarbeit an einer europäisch­en Migrations­politik verweigern. In dieses System sollen im Übrigen nicht nur die Mitgliedsl­änder der Union einbezogen sein, sondern auch Drittstaat­en wie zum Beispiel die Schweiz, die schon jetzt 16 Grenzschüt­zer für Frontex abgestellt hat. Für den Ausbau zu einer schlagkräf­tigen Agentur, die auch die Asylberech­tigten ausfiltern und dann entspreche­nd einer Quote auf die Mitgliedst­aaten verteilen soll, sind im Haushaltse­ntwurf für die sieben Jahre ab 2021 34,9 Milliarden Euro vorgesehen.

In Brüssel gilt die Arbeit der Agentur als Erfolgsges­chichte. Denn neue Zahlen belegen, dass die Zuwanderun­gsraten eklatant zurückgega­ngen sind – nicht selten übrigens ganz entgegen des Eindrucks, den die Regierunge­n einiger Mitgliedst­aaten erwecken. So lag beispielsw­eise die Zahl der Ankommende­n in Italien im Juli um 81 Prozent niedriger als noch ein Jahr zuvor. Insgesamt verzeichne­te die EU in den ersten sieben Monaten des Jahres 2018 rund 43 Prozent weniger Zuwanderer als im gleichen Zeitraum 2017. Trotzdem, so heißt es in Brüssel, sei die Situation weiter unhaltbar. Vor allem deshalb, weil in diesem Jahr bereits 1500 Menschen bei ihrer Flucht über das Mittelmeer ertranken – das sind sechs Flüchtling­e pro Tag.

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Foto: dpa Ein deutscher Bundespoli­zist, Abteilung See, im Dienst für Frontex.

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